Der Sodom Kontrakt
entgegen. Im Haus herrschte hochsommerliche Temperatur. Sofort bildeten sich Schweißperlen auf Monikas Stirn. Taverner zwängte sich in dem engen Flur an Gill vorbei zu einer steilen Treppe. “Gehen wir nach oben ins Musikzimmer. Da ist es am gemütlichsten. Ich habe gerade Tee gemacht.”
“Für mich ohne Shit”, sagte Gill während er hinter ihm die steile Treppe bis in den zweiten Stock hinauf folgte. Taverner lachte. “Alles groovy, man. Ist nur Tee. Ich hab mir gerade einen durchgezogen. Bei Syndicate of Sound. Kam gigantisch.”
Der Flur war, wie alle Räume, eine einzige Memorabilia-Sammlung der sechziger Jahre. Das Jim Morrison-Poster bezeugte das Wunschbild nach dauernder, unbezähmbarer Jugend. Taverner führte sie ins Musikzimmer. Die hohen Fenster gingen zum Hafen hinaus und ließen viel Licht herein, was dem Zimmer eine sonnige Atmosphäre gab. Arabische Sitzkissen waren um einen runden Eisentisch mit einer gigantischen Wasserpfeife gruppiert. Für die Teekanne war kaum Platz. Unter der Stuck verzierten Decke klebten bekannte Poster aus den sechziger Jahren: das berühmte Guevara-Bild auf roten Hintergrund, Filmplakate von Easy Rider und Django; eine witzige Zeichnung von Willy Vandersteens flämischen Mythos und Comic-Figur Lambik. Eine alte Stereoanlage mit riesigen Boxen, die 1968 Höhepunkt der Technik gewesen war, dominierte den Raum. Regale bis unter die Decke waren vollgestopft mit Vinylplatten. Unter dem Fenster war ein niedriges Bücherregal.
Gill schaute genauer hin. Hier standen die maßgeblichen Bücher der sechziger Jahre: Der Steppenwolf und Siddharta von Hermann Hesse, Tolkiens Lord of the Rings, Stranger In A Strange Land von Robert Heinlein, On the Road von Jack Kerouac, Doors of Perception von Aldous Huxley, das Bolivianische Tagebuch von Che Guevara, Armies of the Night von Norman Mailer, 1984 von George Orwell, Wilhelm Reichs Massenpsychologie, Mao Tse Tungs Rotes Buch, das Tibetanische Totenbuch, Drawings & Writings von Bob Dylan, Truman Capotes In Cold Blood, The Outsider von Colin Wilson, Ballards Drowned World, Julian von Gore Vidal, The Hunter von Richard Stark, Castaneda, Midnight Plus One von Gavin Lyall, Camp Concentration von Thomas M. Disch, Stand on Zanzibar von John Brunner, Tales of Cthulhu von H.P. Lovecraft, Man in a Suitcase von E.G. Whitney und viele andere. Auf dem Regal lagen Comics: Marvel-Comics wie Fantastic Four von Jack Kirby und Stan Lee, Silver Surfer von John Buscema und Stan Lee, daneben Mad-Hefte, U-Comix von Robert Crumb und die Alben Barbarella von Forrest, Epoxy von Paul Cuvelier, Phoebe Zeitgeist von Michael O’Donohue und Frank Springer, und Guy Peellaerts Jodelle und Pravda.
Taverner holte irgendwo ein paar Tassen her und goss ihnen Tee ein. Monika hatte sich auf ein Kissen gesetzt und betrachtete fasziniert das Zimmer.
“Was hast du gegen Morrison? Du hast sein Poster an der Wand.” fragte Gill.
“Der war mal gut. Seitdem der Arsch seinen artifiziellen R&B macht, kriegt die ganze Westcoast so was Kommerzielles.”
“Ach nee. Airplane und die Dead treten umsonst auf, was?”
Taverner verschüttete fast den Tee, den er Monika reichte. “Sie spenden alles für das Movement und unterstützen ‘ne Menge Projekte. Bei Morrison und den Doors riechst du den Ego-Trip. Er hat über sich selbst gesagt: ‘Ich bin Politiker der Erotik, nur interessiert an Zerstörung und Gewalt’. Morrison treibt das dyonisische in der Rock-Musik zu weit. Das kann nur zur Selbstzerstörung führen. Oder die Doors werden mal genauso käuflich wie die Stones.”
“Nichts gegen die Stones. Wahrscheinlich die besten Musiker von allen. Die letzte Platte...”
“Let it Bleed.”
“Richtig... Let it Bleed... Gut, oder?”
“Ausverkauf. Sind nur Outtakes von Beggars Banquet.”
“Das ist nicht dein Ernst! Gimme Shelter...”
“Ist das beste Stück auf der Scheibe. Aber mit You Can’t Always Get What you Want hat Jagger die Maske fallen lassen. Dahinter grinst die geldgierige Visage des Establishments.”
“Mir ist der Song einfach zu lang. Ich mag diese langen Riemen nicht. Diese nervtötenden Sachen wie In-a-gada-da-vida.”
“Iron Butterfly? Je länger, desto besser. Es muss Raum für Improvisation bleiben. Erst da zeigt sich der wahre Künstler. Nicht dieser kalkulierte Hitparaden-Pop.”
“Mir sind Drei-Minuten-Songs am liebsten. Schnell, effektiv und packend. Ohne Thema oder Melodie totzutrampeln.”
“Dieser Boy-meets-Girl-Dreck, in dem
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