Der Sodom Kontrakt
liefen kleine Wasserrinnsale herab. Der aufsteigende Modergeruch war unerträglich. Endlich war er unten. Ein Durchgang, der ihm jetzt aufrechtes Gehen ermöglichte, führte geradeaus. Dumpf hallten seine Schritte. Gill ging weiter und kam an einen Kreuzgang. Er bog ab. Ein weiterer Kreuzgang. Im Kegel der Lampe Stufen. Davor war eine matschige Kuhle, in der sich das Wasser knöchelhoch sammelte. Er stieg die Stufen hinauf. Überall Steine und Schutt, und er musste vorsichtig gehen, um nicht zu stolpern. Der weitere Aufgang war unter Steinbrocken begraben. Mehrere Durchlässe gingen von der Treppe ab. Sie führten in verfallene Kammern. In einigen war die Decke völlig eingestürzt.
Gill zwängte sich in einen engen Raum und machte sich in der stickigen, ungesunden Luft an die Arbeit. Mit einem Messer löste er einen markierten Stein aus der Wand. Zwei weitere folgten. Dahinter befand sich ein Hohlraum in Augenhöhe. Er steckte die Tasche hinein und schloss die Wand wieder. Dann machte er sich auf den Rückweg. Er stieg aus dem Höhlensystem und drückte den Felsbrocken an seine alte Stelle. Er säuberte notdürftig seine Kleidung von Dreck und Matsch und fuhr sich ein paar Mal mit der Hand durch das kurzgeschnittene Haar. Dann ging er zum Nachtigallenweg.
Vom Bodenborn her klangen die Geräusche einer belebten Hauptstraße. Der Himmel begann erneut zu grummeln. Ein weiteres Gewitter. Er lief schneller, überquerte den Bodenborn und ging den Uferweg mit seinen schmucken Flussgrundstücken entlang. Nach etwa einen Kilometer kam er unter einem hohen Viadukt durch und erreichte die Camper- und Schrebergartensiedlung gegenüber der Ruhrinsel. Er sah Licht in einem Wohnwagen und hörte trunkenes Gelächter. Leise schlich er zu einer kleinen Hütte neben einem Bootshaus. Aus einem Blumentopf zog er den Schlüssel, mit dem er die Hüttentür öffnete. Obwohl die Fensterläden geschlossen waren, zog er die Vorhänge zu, bevor er Licht anknipste. Im Raum stand eine Couch, eine Kochecke mit Kühlschrank, ein wackliger Tisch, abgewetzte Sesseln und ein Fernsehapparat, eingerahmt von alten Buchklubausgaben. Gill öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Mineralwasser heraus. Er trank gierig.
Sein Handy meldete sich. “Klaus hier.”
“Hast du schon...”
“Die grünen Männchen waren gerade im Club. Eine Hauptkommissarin Alexa Bloch leitet die Ermittlungen. Sie ist nicht dumm. Besser, du rufst sie mal an.”
“Mal sehen...”
“Brauchst du was?”
“Im Moment nicht... Vielleicht ein Auto...”
“Ich hab einen Porsche hier...”
“Nein. Etwas Unauffälliges.”
“Warte... Einen Golf?”
“Ideal.”
“Wo willst du ihn hin?”
“Auf dem Parkplatz hinterm Wittener Rathausplatz.”
“Okay, Cobra bringt ihn dir. Dortmunder Nummernschild, weißer Turbo, ein Gummiskelett hängt am Innenspiegel. Der Schlüssel liegt im Auspuff. Brauchst du Papiere?”
“Nur den Schein.”
“Klar. Im Handschuhfach... Um was geht’s eigentlich?”
“Später, Klaus, später. Ich melde mich... Tut mir leid, dass du Schwierigkeiten durch mich...”
“Schwierigkeiten? Du weißt wohl nicht mehr, was Schwierigkeiten sind. Ich habe keine Schwierigkeiten.”
Das Gespräch war beendet. Gill legte sich auf das Sofa und schlief fast sofort ein.
HERDECKE. Klaus legte den Hörer auf und musterte Cobra, der stumm vor dem Schreibtisch saß. “Um die Uhrzeit kriegst du in Witten keinen Bus zurück, und eine Taxifahrt kann man nachprüfen...”
“Ich laufen”, sagte Cobra.
Klaus lachte. “Ich weiß, das würdest du. Ich kann nicht weg. Hab noch was zu tun...” Er bewegte den Stick unter dem Barmonitor. Er suchte den Tresen nach bekannten Gesichtern ab. Als er die Bardame mit den schwarz geschminkten Lippen einen Gast bedienen sah, drückte er auf eine Taste der Sprechanlage. Die Bardame verschwand aus dem Bild des Monitors.
“Ja, Klaus?”
“Lill, ist irgendeiner von den Jungs da?”
“Ringo war vor ein paar Minuten hier. Er hat Sandra abgeholt.”
“Schick ihn runter.”
“Sind schon weg.”
“Es muss doch irgendeiner da sein! Arbeitet Yolanda heute?”
“Nein. Morgen... Warte mal... Kubek ist gerade rein gekommen.”
“Der kleine Pusher? Ich dachte, den haben sie hochgenommen... Egal. Schick ihn mir, Lill.”
“Ist gleich unten.”
Klaus schaltete die Sprechanlage aus und wandte sich an Cobra. “Ist zwar ein kleiner Mistkäfer, so austauschbar wie Klopapier, aber er soll dich ja nur
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