Der Sodom Kontrakt
Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Wilcke sie an: “Jetzt nicht! Ich sag dir zum letzten Mal: Nimm Gill aus der Fahndung und halt ihn aus den Medien raus.”
“Darüber wollte ich gerade mit dir reden”, sagte sie kalt.
“Ich hab jetzt anderes zu tun. Ich bin heute Nachmittag wieder hier. Dann können wir reden oder einen Quickie machen.”
Er ging an der zornig werdenden Alexa vorbei, verließ das Polizeigebäude, kaufte in einem Supermarkt zwei Leerkassetten und fuhr nach Hause, um die Videos aus dem Büroschrank auf die Leerkassetten zu überspielen. Seine Frau schlief noch.
BOCHUM. Gill war es gewohnt, mit wenig Schlaf auszukommen. Vier Stunden hatten ausgereicht, um zu regenerieren. Schmerzen pochten in seinem Arm und seiner Hand, die stellenweise blau angelaufen war. Die spartanische kleine Wohnung bot ihm eine Dusche und ein Frühstück aus alten Eiern, die er auf einem Campingkocher briet. Dann setzte er sich mit einer Tasse dampfenden Instantkaffees an den Küchentisch und nahm sich Harrys Akte vor. In dem Ordner lagen Fotokopien verschiedener Zeitungsartikel und Buchauszüge. Gill ordnete sie chronologisch und fing an zu lesen.
In Belgien, erklärte ein angesehener belgischer Richter 1989, sei es dem Mafia-Milieu gelungen, in die höchsten Bereiche der Wirtschaft und Finanz einzudringen und sich dort unerkannt zu etablieren, unter anderem in den Bereichen Hochtechnologie und Rüstung. Das ungläubige Parlament kritisierte Jean-Francois Godbille, berief ihn drei Jahre später jedoch an die Spitze einer Kommission zur Bekämpfung der ‘Mafia des negiers’, die in Belgien und Nordfrankreich einen großangelegten Sklavenhandel aufgezogen hatte. Ihr Hauptquartier war eine prachtvolle Burg in Charleroi, gekauft und aufwendig restauriert von einem stellungslosen sizilianischen Arbeiter; Eigentümer war Pasquale Cuntrera, der schon seit vielen Jahren in Belgien ein Standbein hatte. Erwähnt wird die Charleroi-Bande in einem BKA-Bericht an Interpol Italien von 1989; der nominelle Eigentümer der Burg war Salvatore Di Luciano. Von der Burg aus verliehen die Cuntreras Tausende Schwarzafrikaner an Baufirmen. Sieben Personen, die sich die Burg näher ansehen wollten, bezahlten ihre Neugier mit dem Leben, darunter ein junger Reporter der in Charleroi erscheinenden “Nouvelle Gazette”. Sein Name war Stéphane Steigner.” 1
Am Rand hatte Brenner mit Kugelschreiber ein großes L mit Ausrufezeichen notiert. Gill legte das Blatt zur Seite und nahm das nächste.
In der heruntergekommenen Industriestadt Charleroi vermuteten Kölner Polizisten 1995 den Kopf einer internationalen Bande von Autodieben und -hehlern. Doch das Rechtshilfeersuchen wurde in Charleroi wegen eines Formfehlers abgeblockt. Zuständig war damals ein Kriminalbeamter Georges Zicot, der im Zusammenhang mit der Dutroux-Affäre verhaftet wurde. “Ihr habt eine Bombe gezündet, die bald explodieren wird”, sagte er zu den Ermittlungsbeamten. 2
Offenbar drehte sich alles um die korrupten Machenschaften des belgischen Staates. Weltweites Aufsehen erregte erst die Affäre um den Kinderschänder und Mörder Dutroux, der von Polizeibehörden, Richtern und Politikern jahrelang gedeckt worden war.
Die Gebrüder Russo aus Gela, in Sizilien wegen Erpressung und mehrfachen Mordes gesucht, unterhielten in Dortmund eine hundert Mitglieder zählende Waffenschmugglerbande, die Geschäfte zwischen Deutschland, Italien und Belgien vermittelte.” 3
Gill dachte daran, dass Harry Brenner sich oft bei den Brüdern herumgetrieben haben sollte... Ein bisschen gedealt...
Der Kinderschänder, Mörder, Autodieb und wer weiß, was noch, Dutroux, wurde so spät verhaftet, weil eine durch und durch korrupte Justiz in Zusammenarbeit mit korrupten Polizisten dies verhinderte. Belgien ist nach Italien der zweite westeuropäische Gangsterstaat, in dem die Herrschaft des Organisierten Verbrechens an die Öffentlichkeit kommt. Erste Hinweise gab es schon Anfang der 90er Jahre, als belgische Veterinäre ermordet wurden, die der internationalen Fleischmafia ins Gehege kamen. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob die angebliche Rinderseuche BSE nicht eine Folge der Chemikalien, Beta-Blockern und verbotenen Hormonen ist, die die Mafia dem Vieh spritzte. Weiter ging es mit der Ermordung des “Paten von Lüttich” und ehemaligem sozialistischen Minister Cools, dessen Selbstherrlichkeit seinen verbündeten Mafiosi zu weit ging. Die
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