Der Sodom Kontrakt
Autobahn verlassen hatten, verfuhren sie sich im Schneetreiben. Im Schritt-Tempo rollte Gill auf einer schmalen Straße unterhalb eines Deiches.
“Es hat keinen Sinn. Im nächsten Dorf suchen wir uns eine Übernachtungsmöglichkeit.”
“Ich habe ein Schild gesehen. Hier geht’s nach Hoedekenskerke. Das ist nicht weit von Goes.”
“Im Schneetreiben sieht alles gleich aus. Es ist schon zu spät, um in Goes etwas zu unternehmen. Wir können genauso gut hier irgendwo übernachten.”
“Meinetwegen.”
Die Scheinwerfer fraßen einen Tunnel aus Licht durch die weiße Wand. Gill konzentrierte sich auf die Straße. Der Lichtkegel gewährte nur nur wenige Meter Sicht. Vorsichtig fuhr er durch eine Kurve. Ein Bürgersteig deutete auf die Nähe einer Ortschaft. Im grünen Licht der Armaturen sahen Monikas zynische Falten zum Mund wie gemeißelt aus. Sie fuhren an einem geparkten Laster vorbei, über Kopfsteinpflaster durch eine gewundene Straße, die von niedrigen Klinkerbauten gesäumt wurde. An einer beleuchteten Eckkneipe mit Wintergarten vorbei, überquerten sie Eisenbahnschienen und waren schon wieder außerhalb des Dorfes auf der Kuppe eines Deiches.
“Ich drehe besser um. Versuchen wir es in der Kneipe.”
“Da ist ein Schild: Hafenkneipe oder so was ähnliches steht darauf.”
Gill fuhr über den Scheitelpunkt und rollte in eine breite Abfahrt. Unter dem Deich war eine Bucht. Das Hafenbecken, in dem ein einsames Schiff schwamm, reichte an eine flache, schneeweiße Parkfläche, die von einladenden Lichtern einer einsamen Gaststätte beleuchtet wurde. Die Scheldemündung trieb Wellen in die kleine Bucht und ließ das Schiff schaukeln. Vor der Kneipe stand ein Volvo. Gill parkte daneben. In diesem Moment erloschen die Lichter. Ein Mann trat heraus und schloss die Tür sorgfältig hinter sich ab. Er schaute Gill an, der ausgestiegen war. “Gesloten.”
Gill fragte ihn auf Englisch nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Der Mann sagte ihm in einer Mischung aus Flämisch und Deutsch, er solle es im Dorf versuchen. In der Kneipe, an der sie vorübergefahren waren. Gill dankte dem Mann und stieg wieder in den Mercedes. “Zurück ins Dorf.”
“Ich werde müde. Ein Schlafplatz wäre nicht schlecht. Bei diesem Wetter möchte ich nicht im Auto übernachten.”
“Davon kann keine Rede sein”, knurrte Gill unwirsch.
Beim Wenden geriet der Mercedes auf der Schneedecke ins rutschen. Ganz langsam fuhr er die Steigung hinauf. Zweimal drehten die Räder durch, aber er konnte den Wagen abfangen und schaffte es. Sie rollten ins Dorf zurück. Gill bog in die Seitenstraße hinter der Kneipe und stellte den Mercedes auf einen kleinen Parkplatz. Der Schnee peitschte ihnen ins Gesicht als sie zum Eingang liefen. Wohlige Wärme und laute Musik umfing sie im Schankraum. Am Tresen saßen vier rotgesichtige Trinker, die geschmacklose Schlager mitjohlten, in denen es den Meisjes richtig besorgt wurde. Gill nickte der jungen Frau hinterm Tresen zu. Drei Tische standen an der Längsseite vor den Fenstern. Dahinter ein Billardtisch, an dem drei Jugendliche konzentriert spielten. Gill und Monika setzten sich an einen Tisch. Die junge Frau kam zu ihnen. Gill erkundigte sich nach Fremdenzimmern. Kein Problem. Im zweiten Stock. Im Sommer hatten sie immer Gäste. Ihr Mann würde die Zimmer herrichten. Gill bestellte für Monika und sich zwei große Grog. Sie schwiegen, bis die Getränke kamen. Vorsichtig nippte Monika an dem heißen Drink. “Das tut gut.”
“Haben Sie genug von diesem Abenteuer? Ich kann Sie morgen am Bahnhof absetzen oder Ihnen einen Mietwagen besorgen.”
Ihre Lebensgeister kehrten zurück. “Quatsch. Was denn für ein Abenteuer? Im Schneetreiben durch Belgien zu fahren? Ich bleibe. Für mich war’s ein spannender Tag. Künftig werde ich die Zeitung mit anderen Augen lesen. Ich finde alles sehr beunruhigend, was dieser Kleber erzählt hat.”
“Manchmal ist es besser, nicht zu wissen was wirklich abläuft.”
Einer der Betrunkenen schaute zu ihnen hin und erzählte seinen Kumpanen etwas über die Befindlichkeit der Deutschen. Mit einem Ohr hörte Gill das Wort “Moffen”. Sie lachten meckernd, und die Frau hinter dem Tresen, der Gills Aufmerksamkeit nicht entgangen war, wies sie zurecht.
“Haben die über uns gelacht?” fragte Monika.
“Anzunehmen. Die alte holländisch-deutsche Hassliebe. Zeeland ist nicht Amsterdam. Toleranz und Freundschaft hält sich in Grenzen.”
“Im Sommer ist es hier
Weitere Kostenlose Bücher