Der Sodom Kontrakt
eingecheckt.
Schneider war genervt. “Sie müssen sich in Ihrer geistigen Obdachlosigkeit mal entscheiden. Samurai oder Anarchist. Beides zusammen geht nicht. Es sind völlig gegensätzliche Haltungen. Der Samurai ist geradezu ein Apologet hierarchischer Strukturen, während der Anarchist jede Autorität ablehnt und vernichtet.”
Schmidt schmollte. “Aber beide bringen Leute um.”
“Es ist typisch für extreme antagonistische gesellschaftliche Organisationsformen. Sie setzen Gewalt als legitimes Mittel ein.”
“Also doch Gemeinsamkeiten.”
Schneider trank den Rest seines Kaffees. “Wenn Sie so wollen...”
Schmidt strahlte: “Da habe ich vielleicht eine hochinteressante soziologische, politische oder gar philosophische Entdeckung gemacht. Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben...”
“Ihre gesammelten Erkenntnisse?”
“Ja. So eine Mischung aus Aphorismen und kurzen Essays. Es würde die Menschheit sicher weiterbringen, und in hundert Jahren wird es Schmidt-Seminare an Hochschulen geben. Wer schreibt, der bleibt. Unsterblichkeit des Geistes ist etwas sehr Schönes, und die Menschheit hat ein Anrecht auf meine Erfahrungen.”
“Ganz sicher. Man wird Sie zu Talkshows einladen.”
“Ich gehe aber nicht in jede. Nur in die mit Niveau. Nicht in diese Talkshow mit dem kichernden Jungen, der wie ein Cappuccinokellner aussieht.”
“Erst müssen Sie sich noch einen guten Verlag suchen.”
“Hmmm. Ich werde mich nachher in einer Buchhandlung erkundigen.”
“Versuchen Sie es mit dem Berliner Alexander Verlag. Vor allem müssen Sie das Buch erst schreiben.”
“Ach, das ist leicht. Wenn ich jeden Tag eine Seite schreibe, habe ich im Jahr dreihundertundfünfundsechzig Seiten. Ein ganz schön dickes Buch. Ich fange morgen an. Ich muss mir eine Laptop kaufen. Oder sollte ein so wichtiges und zeitloses Buch vielleicht mit der Feder geschrieben werden?”
“Ein Laptop geht schon in Ordnung.”
“Und Sie müssen das Vorwort schreiben! Ein brillantes Vorwort. Wie Sie mich kennengelernt und meinen Geist geformt haben, bis Sie mir nichts mehr beibringen konnten und feststellten, welches Genie dem Kokon entwich. Wie ich über den Meister hinauswuchs...”
Schneider griff blitzschnell über den Tisch, packte Schmidts Nase mit Daumen und Zeigefinger und drehte sie um. Schmidt brüllte auf vor Schmerz. Zwei Kaffeetanten, ein paar Tische weiter, ließen vor Schreck ihre Tortenstücke von der Gabel rutschen.
“Ich dir nichts mehr beibringen? Du bist grün wie ein Aal und solltest nicht so unverschämt mit mir reden.” Schneider knallte Schmidts massigen Schädel auf den Tisch und stand auf. Er drückte der entsetzten Bedienung einen Hundertmarkschein in die Hand und verließ das Café. Schmidt rappelte sich hoch und folgte Schneider wie ein begossener Riesenpudel. Vor dem Café zischte Schneider ihn an: “Sie gehen zehn Schritte hinter mir, wie eine türkische Ehefrau.”
Schmidt verharrte und zählte Schneiders Schritte, bevor er ihm folgte.
ZEELAND. Gill kam verschwitzt in die Gaststube. Er war fünf Kilometer über den verschneiten Deich gelaufen und hatte einen Bärenhunger. Er duschte im Etagenbad und ging in den Wintergarten neben dem Schankraum. Monika saß bereits beim Frühstück.
“Sie sind also auch einer von diesen Joggern”, begrüßte sie ihn.
“Die einfachste Art sich Bewegung zu verschaffen. Egal wo man ist: Laufen kann man überall, und bis auf ein paar Schuhe braucht man nichts mitzuschleppen.”
“Ich hab es auch mal versucht. Nach drei Tagen hatte ich die Nase voll. Ich kann nichts daran finden, ziellos durch die Gegend zu rennen.”
“Der Weg ist das Ziel.” Gill goss sich Kaffee ein.
“Jetzt müssen wir dieses oder diesen Taverner finden.”
“Ich habe eine Idee. Ich glaube, ich weiß wie wir seine oder Adresse rauskriegen, falls es sich um einen Menschen handelt”, sagte Monika und zündete sich die erste Zigarette des Tages an. Sie hatte einen halben Toast gegessen und zwei Tassen Kaffee getrunken.
“Es könnte der Name eines Schiffes sein. Oder eines Hauses. Im Telefonbuch finde ich nichts.”
“Nein, da habe ich auch schon nachgesehen.” Fast angeekelt sah sie, dass Gill sich den vierten Toast nahm und dick mit Butter und Brüsseler Sirup bestrich.
“Das Zeug ist ekelhaft.”
“Sie wissen nicht, was gut ist Es ist eine Melange aus Birnen, Datteln, Äpfeln und Zucker. Eine Energiebombe. Sie sind kein Frühstücksfan, was?”
“Morgens kriege
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