Der Sog - Thriller
setzten ihrer hoffnungsvollen Fernsehkarriere für alle Zeit ein Ende. Sie zog ihre beiden Kinder allein auf. Als beide im Schulalter waren, ging sie putzen, bis sie genug zusammengehamstert hatte, um sich einen Brennofen und eine Töpferscheibe zu kaufen. Sie richtete sich ein kleines Atelier unter der Veranda des Hauses ein und brachte sich die Geheimnisse von Ton, Schmelzmittel und Glasur bei. Sie finanzierte ihren Lebensunterhalt, indem sie Kannen und Schalen auf Bauernmärkten verkaufte und eine Handvoll Schüler unterrichtete, wenn sie die Lust dazu überkam. Auf der Küchenanrichte sah Nicholas eine kleine Armada von vielleicht zwanzig Teekannen vor Anker liegen.
Katharine reichte ihm eine dampfende Tasse.
» Suzette kommt herauf?«, sagte er. » Wieso?«
» Keine Ahnung. Vielleicht, um ihren Bruder zu sehen?«
» Ich bin gerade erst angekommen.«
Seine Mutter klopfte hart mit ihrem Löffel an die Tasse. » Ja. Das egoistische Miststück.«
Sie tranken eine Weile schweigend. Über das brandungsartige Prasseln auf dem Dach hinweg konnte Nicholas das Haus ticken hören, während es sich abkühlte. Er spürte, wie der Blick seiner Mutter über sein Gesicht kroch.
» Du siehst furchtbar aus«, sagte sie.
» Auf dich, Mum.«
In seiner Erinnerung war das Haar seiner Mutter immer kastanienbraun gewesen, als straffer Knoten getragen. Jetzt war es grau und lose.
Er nahm einen Keks von einem Teller, betrachtete ihn prüfend und legte ihn zurück. Seine Mutter schnalzte missbilligend mit der Zunge, hob den Keks auf und tunkte ihn in ihren Tee. Es war eine Geste, an die sich Nicholas aus einer kargen Kindheit erinnerte – nichts vergeuden. Nichts, außer Zeit. Selbst als sein Vater zwei, drei Jahre nachdem er die Familie verlassen hatte, gestorben war, hatte Nicholas seine Mutter nie mit einem andern Mann gesehen.
» Triffst du jemanden?«, fragte er.
Sie sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg finster an. » Ich treffe eine Menge Leute. Niemand dabei, mit dem es sich zu reden lohnt.«
» Hast du vielleicht etwas mit dem Tonlieferanten laufen? Liebeleien mit geilen Steinguthausierern?«
» Nein.«
» Du kommst noch in Verruf.«
» Als was? Als verschrobene alte Lesbe?«
Nicholas zuckte mit den Achseln.
» Na großartig.«
Sie aßen und tranken schweigend.
» Du weißt, dass sie mir fünfhunderttausend für das Haus angeboten haben?«
» Wer?«
» Irgendwelche Leute.« Sie tat es mit einer Handbewegung ab. » Aber nicht schlecht für so ein altes Mädchen.«
» Nicht schlecht«, stimmte er zu.
Draußen gurgelte Wasser die Regenrinne hinab, ein zähflüssiges Rauschen von kaltem Wasser an dunklen Orten. Er überlegte, ob er den Wald an der Carmichael Road erwähnen, seine Mutter fragen sollte, wie es kam, dass er immer noch da war, und ob sie nicht auch fände, er lauere dort so bedrohlich wie eine Gruppe im Dunkeln stehender Männer auf einer ansonsten leeren Straße, Männer deren Silhouetten latenten Ärger ausstrahlten. Aber er kam sich idiotisch vor, als er die Worte zu fassen versuchte, und so ließ er sie in das ozeanische Prasseln vor den Fenstern davonschwimmen.
» Es tut mir leid, dass ich es nicht zu Cates Beerdigung geschafft habe.« Katharine sagte es beherzt, aber das Schweigen, das folgte, ließ die Worte austrocknen.
Nicholas fuhr mit der Zunge an seinen Zähnen entlang, als könnte sich eine höfliche Erwiderung in ihnen verfangen haben.
» Keine Fluggesellschaft hätte dich mitgenommen, du warst sterbenskrank«, sagte er schließlich. » Sie hat dich gemocht.«
Ein Lächeln erblühte auf Katharines Lippen und starb. » Armer Mann.«
Er blickte auf. Sie beobachtete ihn aufmerksam, mit demselben eulenartigen Gesichtsausdruck wie vor dreißig Jahren, als er fünf gewesen war und sich überlegt hatte, die Keksdose zu plündern. Ein Blick, der ihn davor warnte, etwas zu tun, was er vielleicht bereuen würde.
» Cates Tod war ein Unfall. Du weißt es, Nicky.«
Nicholas trank seinen Tee aus, stand auf und küsste seine Mutter auf den Scheitel. Sie sah alt aus.
» Wir sehen uns morgen früh.«
Katharine trocknete Nicholas’ Teetasse ab und stellte sie ins Regal zurück. So, dachte sie, der Tag ist gekommen. Er ist endlich da. Sie schaltete den Kessel an und setzte sich, als er zu seufzen begann.
Wie ging es ihr? Es war drei Wochen her, seit Nicholas angerufen und mitgeteilt hatte, er würde England verlassen und nach Hause kommen. Jeden Tag seither hatte sie sich gefragt, wie
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