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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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umzudrehen. Ich war recht klein, und eine Sturzgeburt sollte lieber vermieden werden. Ich wurde jetzt leicht müde und verbrachte den größten Teil der wärmeren Tage auf dem moosigen Steinsitz im Kräutergarten, saugte die Frühlingssonne in mich hinein und sprach lautlos mit meinem Kind.
    Dieser Garten wird dir gefallen, sagte ich ihm. Er riecht gut, und es gibt viele kleine Dinge. Bienen, das sind die mit den Streifen und Flügeln. Mit denen musst du vorsichtig sein. Wenn es heißer wird, wird es auch Grashüpfer geben. Käfer in vielen Formen und Farben, einige glänzend wie kostbare Steine. Raupen, die unser Gemüse fressen, wenn du nicht aufpasst. Deshalb pflanzen wir Knoblauch neben den Kohlköpfen. Wenn es wieder Meán Fómhair wird, wirst du schon im Stande sein, hier im Gras zu sitzen und dir alles anzusehen.
    Manchmal erzählte ich ihm von seinem Vater. Nur manchmal, denn ich gestattete mir nicht, falsche Hoffnungen zu nähren. Er ist sehr stark. Er hat einen starken Körper, einen starken Geist und einen starken Willen. Aber irgendwo ist er vom Weg abgekommen. Ich habe ihn nach Bran, dem Reisenden, genannt, und das war angemessener als ich dachte. Denn Bran mac Feabhail, der Held der alten Geschichte, konnte von seiner langen und seltsamen Reise nie nach Hause zurückkehren. Als er wieder zur Küste von Tirconnell segelte und einer aus seiner Besatzung aus dem Boot ans Ufer sprang, welkte dieser Mann sofort dahin, als wäre er schon lange tot gewesen. Vielleicht hatte die magische Reise tatsächlich Hunderte von Jahren gedauert, obwohl Bran und seine Seeleute glaubten, nur von einem Sommer bis zum nächsten weg gewesen zu sein. So erzählte Bran seine Geschichte vom Deck seines Schiffes aus, das längsseits am Kai lag, und dann segelte er wieder weg, ohne jemals einen Fuß an die heimische Küste gesetzt zu haben. Für ihn gab es die liebevollen Arme einer Frau und die Freude, seinen Sohn aufwachsen zu sehen, nicht. Das Kind versetzte mir einen zielgerichteten Tritt; er hatte jetzt wenig Platz, sich zu bewegen. Vielleicht wollte er mir auf die einzige Weise, die möglich war, etwas sagen. Also gut, erwiderte ich und rückte unbehaglich auf der Steinbank hin und her. Wenn es ein Ende für seine Reise gibt, werden wir es für ihn finden. Er wird uns nicht dankbar dafür sein. Und du wirst dabei helfen müssen. Ich schaffe das nicht allein.
    Meine Zeit stand dicht bevor. Ich fühlte mich bereit; die Frühlingsblumen blühten bereits, helle Narzissen, Krokusse und Schneeglöckchen, und die Wärme in der Luft war deutlich zu spüren, obwohl es beinahe ununterbrochen nieselte. Die Kirschbäume hatten einen zarten Mantel aus Blüten angelegt. Es schien eine gute Zeit zu sein. Meine Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet; ich war eingestimmt auf jede kleine Veränderung in meinem Körper und merkte kaum, was außerhalb davon geschah. Ich wusste, dass Sean davongeritten war. Er hatte mir nicht gesagt, wohin er ging.
    Sie drehten das Kind; es war beinahe zu spät dafür, und es war unangenehm, aber notwendig für eine leichtere, sichere Geburt. Danach bat ich sie, mich in Ruhe zu lassen, denn ich hatte das Gefühl, dass es nun an der Zeit war, alles den Händen der Göttin zu überlassen.
    Ein paar Tage später saß ich in der Neumondnacht in meinem Zimmer und sah in die Flamme meiner Kerze. Ich hatte nun durch mehrere solcher Kerzen Wache gehalten, jede hatte ihren eigenen kleinen Kranz mächtiger Kräuter, und das Halsband mit den Wolfskrallen hatte ebenso zu jedem gehört wie die einzelne schwarze Feder, die unter das Lederband geschoben war. Vielleicht hatte es geholfen, ihn zu beschützen, vielleicht auch nicht. In dieser bestimmten Nacht war ich so schrecklich müde; mir fielen immer wieder die Augen zu, und dann schreckte ich hoch, denn ich durfte ihn nicht allein im Dunkeln lassen. Aber schließlich siegte doch mein Körper, und ich schlief auf dem Stuhl ein.
    Schmerz weckte mich, und als ich aufstand, lief mir Flüssigkeit an den Beinen entlang. Von da an war es nur Qual und Verwirrung und die schwerste Arbeit, die ich je geleistet habe. Es war gut, dass Janis da war, denn meine Mutter war sehr schwach und konnte nur an meiner Seite sitzen, damit ich ihre Hand festhalten konnte, und mir das Gesicht mit feuchten Tüchern abwischen. Aber so schwach ihr Körper geworden war, ihr Geist war noch so scharf wie eh und je, und sie wies Janis und die anderen Frauen selbstsicher und präzise an. Vielleicht

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