Der Sohn der Schatten
sagte er. »Bitte sag deinen Eltern, dass ich wünschte … ich wünschte mir so sehr …«
»Ich werde es ihnen sagen«, erklärte ich. »Leb wohl, Eamonn.«
Ich hatte erwartet, mich erleichtert zu fühlen, dass ich Sidhe Dubh und sein nebelverhangenes Marschland endlich hinter mir lassen konnte und wusste, dass ich wieder auf der Straße nach Hause war. Aber als ich mich umdrehte und Eamonns einsame Gestalt sah, die zurück ins Herz seines seltsamen feindseligen Landes ritt, hatte ich intensiv das Gefühl, ihn verraten zu haben. Als hätte ich ihn in seine eigene finstere Festung zurückgeschickt. Das schien merkwürdig, und ich versuchte, die Empfindung wegzuschieben, aber das Bild blieb mir im Kopf, während wir weiterritten und das Land bewaldeter wurde und zwischen zerklüfteten Felsen auf den Rand des eigentlichen Waldes hin anstieg.
Sean zügelte sein Pferd plötzlich und wies die anderen an, dasselbe zu tun.
»Was …«, sagte ich. »Still!« Sean hob warnend die Hand. Alle saßen wir schweigend. Es war nichts zu hören als das Zwitschern der Vögel und ein paar Regentropfen. Nach einer Weile lenkte Sean sein Pferd weiter, aber langsam, und er wartete, bis ich ihn einholte.
»Was ist?«, fragte ich und befürchtete, es bereits zu wissen.
»Ich war sicher, etwas gehört zu haben«, sagte er mit einem Seitenblick zu mir. »Es ist schon eine Weile da, als würde man uns folgen. Aber als wir stehen blieben, war nichts zu hören. Du hast doch gute Ohren, hast du es nicht gehört?«
»Nur Vogelgezwitscher. Es kann niemand da sein. Wir hätten sie gesehen.«
»Ja? Vielleicht hätte ich deinen Widerstand ignorieren und Eamonns Eskorte annehmen sollen. Wir sind nicht viele; ein Hinterhalt wäre kein Problem.«
»Warum sollte es einen Hinterhalt geben?«, fragte ich und wich seinem Blick aus.
»Warum haben sie Niamh mitgenommen?«, fragte Sean. »Das ist einfach unvernünftig. Warum, direkt nachdem er …«
Er hielt inne.
»Gerade nachdem was? Du willst mir doch nicht sagen, dass er zugestimmt hat, für dich zu arbeiten?«
»Nicht genau«, meinte Sean vorsichtig. »Aber er sagte, er würde darüber nachdenken; er zieht alle Angebote in Betracht. Er sagte, er würde es mich wissen lassen, wenn er über den Preis nachgedacht hat.«
Ich war sprachlos. Was für ein Spiel spielte Bran da? Mein Bruder, der Sohn des verachteten Hugh von Harrowfield, wäre doch sicherlich der letzte Mensch, mit dem er Geschäfte machen wollte. Eine solche Allianz wäre für beide gefährlich. Dass er auch nur darüber nachgedacht hatte, beunruhigte mich gewaltig.
»Es wäre der Wendepunkt gewesen«, meinte Sean. »Genau das, was wir bräuchten, um den Verlauf unserer Fehde mit den Briten zu ändern. Er hätte jeden Preis nennen können; ich hätte gezahlt. Also warum hat er jetzt eine solche Chance ruiniert? Hat der Mann den Verstand verloren, dass er meiner Schwester so etwas antut, und alles wegen … wegen einer Laune?«
»Er ist nicht launenhaft.« Das hatte ich gesagt, ohne nachzudenken.
Sean wartete, bevor er antwortete.
»Liadan.«
»Ja?«
»Es wird keinen Hinterhalt geben?«
»Ich halte das für äußerst unwahrscheinlich«, sagte ich vorsichtig.
»Liadan, unsere Schwester ist tot. Und man hat gesehen, dass sie sie über die Marschen weggebracht haben. Es gab mehrere Zeugen. Würdest du Niamhs Mörder schützen, indem du deine Geschichte zurückhältst?«
»Nein, Sean.«
»Sag es mir, Liadan. Sag mir die Wahrheit. Du spielst mit gefährlicheren Dingen, als du dir vorstellen kannst.«
Aber ich behielt meinen Schild oben und verriet nichts. Dann, als wir über einen Waldweg ritten, der feucht war von den verfallenden Fasern der Herbstblätter, spürte ich etwas neben mir, obwohl es diesmal keinen Feenhufschlag gab. Ich hörte die Stimme der Herrin leise und feierlich und sah, ohne den Kopf zu wenden, in ihre ernsten Augen.
Du hast übereilt gehandelt. Du hast dich wieder von ihnen leiten lassen. Es darf keine Fehler mehr geben, Liadan.
Es kam mir nicht wie ein Fehler vor, meine Schwester vor einem Leben des Missbrauchtwerdens zu retten. Ich war zornig. War dem Feenvolk denn nichts wichtig außer ihren eigenen langwierigen Plänen, die wir kaum verstehen konnten? Mein Bruder und seine Männer ritten weiter, ohne etwas zu bemerken. Ich warf Sean einen Blick zu und dann der Herrin.
Dein Bruder hört uns nicht. Ich habe dafür gesorgt, dass er hierfür taub ist. Und jetzt hör mir zu. Das war sehr dumm von
Weitere Kostenlose Bücher