Der Sohn der Schatten
einundzwanzig sein könnte. Was war es, was er gesagt hatte? Als ich neun Jahre alt war, entschied ich, dass ich nun ein Mann war. Vielleicht entsprach es der Wahrheit.
»Sie haben ihn John genannt, nach seinem Vater. Aber sie riefen ihn Johnny.«
»Er trägt diesen Namen jetzt nicht mehr. Aber ein Name lässt sich leicht ändern.«
»Hat dein Mann graue Augen?«
»Ja.«
»Was ist mit seinem Haar? Dieses Kind hatte braunes, lockiges Haar, genau wie dein Sohn.«
Ich spürte, wie ich rot wurde und war froh, dass sie meine Gedanken nicht lesen konnten. »Das ist richtig«, sagte ich nach einiger Zeit.
»Ist er Brite?«, fragte mein Vater. »Wenn das der Fall ist, dann verstehe ich dein Zögern, über seine Identität zu sprechen. Aber du solltest nicht vergessen, wo ich herkomme. Und ich habe hier ein gutes Leben führen können.«
»Ich weiß es nicht. Aber es ist möglich. Kannst du mir bitte die Geschichte erzählen?«
Vater runzelte ein wenig die Stirn. »Deine Mutter ist sehr müde.«
»Dann erzähl du sie. Bitte, Vater.«
Er setzte sich auf der anderen Seite neben das Bett. Es war dunkel draußen.
»Ich hatte in Harrowfield zwei treue Freunde. Der eine war Ben, mein junger Pflegebruder, ein Mann, der rasch mit dem Schwert war und noch rascher mit seinem Geist. Und dann war da John. John war ein enger Verwandter, mein Lehrer, der Mann, mit dem ich alles besprach, mein Begleiter bei allem, was ich unternahm. Er war ein Mann, dem man jedes Geheimnis anvertrauen konnte. Er war ein Mann, dem man sein Leben anvertrauen würde. John heiratete ein Mädchen aus dem Süden namens Margery. Sie liebten einander sehr. Sie hatten bereits ein Kind verloren, und es sah so aus, als ob sie dieses auch verlieren würden. Aber deine Mutter war dort, und so wurde er nach einer sehr langen Nacht sicher geboren.«
»Nie wurde ein Kind mehr geliebt und nie war eines mehr erwünscht als Johnny.« Nun griff meine Mutter doch die Geschichte auf. »Margery war so stolz auf ihn, das sah man in allem, was sie tat. Sie trug ihn immer an der Schulter, sprach mit ihm, sang ihm vor. Sie nähte ihm die schönsten kleinen Hemden, alle bestickt mit kleinen Blüten und Blättern und Tieren. John war ein sehr zurückhaltender Mann. Aber er liebte die beiden abgöttisch.«
»Ist … ist etwas geschehen? Ich begreife nicht, wie das so geliebte Kind, von dem du sprichst, zu dem Mann werden konnte, der mein Kind gezeugt hat. Er ist … er wurde alles andere als liebevoll aufgezogen. So viel weiß ich.«
»John starb«, erklärte mein Vater. »Er wurde umgebracht; er starb unter einer Felsenlawine, während er Jenny bewachte. Es war Northwoods Tat. Das war schrecklich, und Margery trauerte sehr. Aber als ich Harrowfield verließ, tat sie ihr Bestes, das Kind allein aufzuziehen. Im Haushalt meines Bruders wären sie gut beschützt gewesen.«
»Johns Sohn würde zu einem guten Mann herangewachsen sein«, sagte Sorcha und sah mich forschend an. »Ein wirklich anständiger, guter Mann.«
Ich nickte und spürte die Tränen in meinen Augen brennen.
Mein Vater stand auf. »Wir ermüden dich«, sagte er. »Du musst schlafen; ihr müsst beide schlafen. Das habt ihr beide sehr gut gemacht. Meine starken Frauen.« Und bevor er sich umwandte, um zu gehen, sagte er noch leise zu mir: »Wenn mein Enkel auch Johns Enkel ist, erfüllt mich das mit Zufriedenheit, Tochter, John wäre froh darüber. Ich würde viel dafür geben, den Vater dieses Kindes kennen zu lernen. Ich hoffe, dass dies eines Tages geschehen wird.«
Aber ich nickte nur, und dann kam Janis mit etwas zu essen für mich zurück und ich entdeckte, dass ich schrecklich hungrig war.
»Warte, bis die Milch kommt«, meinte Janis trocken und ließ sich mit ihrem Krug Bier am Fenster nieder. »Dann wirst du essen wie ein Pferd.«
Später schlief ich ein, das Kind an meiner Brust, und die Kerze im Fenster brannte stetig eine weitere Nacht.
KAPITEL 11
Meine Onkel versammelten sich. Ich begriff, dass es nicht nur darum ging, das Neugeborene anzusehen, sondern um ernstere Dinge. Denn meine Mutter wurde rasch schwächer, als hätte sie tatsächlich nur auf die Geburt des Kindes gewartet, bevor sie Sevenwaters endgültig Lebewohl sagte.
Ich behütete mein Kind gut. Ich brauchte keine Amme: Ich stillte ihn und kümmerte mich selbst um ihn, ich hielt ihn und streichelte ihn und sang ihm vor. Ich hatte ein Mädchen, das mir half, weil Vater darauf bestand, aber sie hatte wenig zu tun. Bevor mein
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