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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Sohn auch nur einen Monat auf dieser Welt zugebracht hatte, hatte er bereits die Geschichte von Bran, dem Reisenden, vollständig gehört. Ich hätte nicht sagen können, wie viel davon er verstand.
    Mutter verbrachte nun den größten Teil des Tages auf dem Bett liegend oder auf einer Liege im geschützten Garten, wo sie ruhen konnte, wenn das Wetter gut war, und die Düfte der Heilkräuter einatmete. Sie hatte den kleinen Johnny gerne neben sich, so dass sie seine weichen Locken streicheln und seinen kleinen Geräuschen zuhören und ihm Geschichten zuflüstern konnte. Mein Vater wachte Tag und Nacht grimmig über sie. Liam schickte nach Sean, der in Geschäften, über die er sich nicht genauer auslassen wollte, nach Norden gereist war.
    Conor kam als Erster und brachte eine ganze Reihe von weiß gekleideten, schweigenden Druiden mit, die sich so lautlos bewegten wie die Tiere des Waldes. Sie ließen sich still im Haushalt nieder und richteten sich offenbar auf längeres Verweilen ein. Conor ging direkt zu meiner Mutter und verbrachte einige Zeit an ihrem Bett. Dann kam er, um mich zu sehen und sich das Kind anzuschauen. »Ich höre«, meinte er, als er mir zusah, wie ich meinen Sohn in einer flachen Kupferschüssel badete, »dass sich die Frauen beinahe darum geschlagen haben, dir bei der Geburt zu helfen. Es ist viel von diesem Kind gesprochen worden. Sie waren alle begierig, ihm auf die Welt zu helfen.«
    »Ach ja?«, sagte ich, hob meinen glitschigen Sohn aus dem Wasser und wickelte ihn in ein weiches Tuch, das ich zum Wärmen vor das Feuer gehängt hatte.
    »Meinst du damit, es wurde zu viel geredet?« Der Blick meines Onkels war ernster als sein Ton.
    »Ihre Geschichten versuchen, etwas zu erklären, was sie nicht verstehen können oder wollen«, sagte ich und legte den ordentlich eingewickelten Johnny an meine Schulter. »Wahrheiten, die sie kaum akzeptieren können.«
    »Das ist bei einigen Geschichten so«, stimmte Conor mir zu. »Aber sicher nicht bei allen.«
    »Nein. Es ist, wie du selbst einmal gesagt hast. Die größten Geschichten wecken, wenn sie gut erzählt werden, die Ängste und Sehnsüchte der Zuhörer. Jeder hört eine andere Geschichte. Jeder wird entsprechend seiner inneren Gegebenheiten davon berührt. Die Worte treffen auf die Ohren, aber die wahre Botschaft geht direkt in den Geist.«
    Mein Onkel nickte ernst. Dann sagte er recht beiläufig: »Warum hast du deinem Sohn den Namen eines Briten gegeben?«
    Ich hatte genug davon, zu lügen. Vater würde diesen Teil vermutlich ohnehin erzählen. Es gab sicher keinen Grund, eine weitere Verbindung herzustellen.
    »Er heißt nach seinem Vater«, sagte ich, streichelte meinem Sohn über die feuchten Locken und hoffte, dass Conor gehen würde, bevor ich das Kind stillen musste.
    »Ich verstehe.« Es schien ihn offensichtlich nicht zu stören.
    »Bei allem Respekt«, erwiderte ich, »selbst ein Erzdruide versteht nicht alles. Aber dies ist sein Name.«
    »Welche Pläne hast du für die Zukunft, Liadan?«
    »Pläne?«
    »Hast du vor, hier alt zu werden und dich um deinen Vater und Liam zu kümmern? Willst du den Platz deiner Mutter einnehmen?« Ich sah ihn an. Auf seinen Zügen lag tiefer Ernst; dieses Gespräch hatte Schichten der Bedeutung, die ich kaum begriff.
    »Niemand könnte ihren Platz einnehmen«, sagte ich leise. »Das wissen wir alle.«
    »Aber du könntest es versuchen«, erwiderte Conor. »Die Menschen würden dich dafür achten. Sie verehren bereits das Kind, und du warst immer die bevorzugte Tochter dieses Hauses.«
    »Bevorzugt. Ja, ich weiß. Ihr wart sehr grausam zu Niamh, als ihr sie weggeschickt habt. Grausam und ungerecht.«
    »So muss dir unsere Entscheidung vorgekommen sein«, sagte Conor immer noch ruhig. »Aber glaub mir, wir hatten keine andere Wahl. Einige Geheimnisse dürfen nie ausgesprochen werden; einige Wahrheiten sind zu schrecklich, als dass man sie enthüllen könnte. Nun ist sie gegangen, und du möchtest vielleicht jemandem die Schuld für ihr tragisches Schicksal geben. Aber ihre Ehe war nicht der Grund. Und ich denke, es ist nicht genug, einfach deinen Vater oder Liam oder mich selbst zu bezichtigen. Hier waren viel ältere Dinge beteiligt.«
    Ich war wütend, aber ich konnte ihm nicht antworten, da ich versprochen hatte zu schweigen. Es wurde sehr schwer, den Schild um meine Gedanken weiter aufrechtzuerhalten. Und Conor versuchte, meine Gedanken zu ergründen, darin bestand kein Zweifel. So vorsichtig sein

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