Der Sohn des Apothekers (German Edition)
ich Sie
gegen achtzehn Uhr, kommen Sie einfach hoch und klingeln Sie.«
»Mein Wagen steht gegenüber, kann ich ihn dort stehen lassen?«
»Sie können auch gerne eine Garage mieten, das macht fünf Euro
pro Tag.«
»Nein, das geht schon«, antwortete Trevisan und füllte das
Anmeldeformular aus. Kurz darauf verließ er die Wohnung. Er wollte den
angebrochenen Tag nutzen, um sich im Ort umzusehen.
*
Hanna Kowalski und Lisa Winter fuhren mit dem Dienstwagen
nach Flensburg. Im Dienstgebäude der Polizeidirektion waren sie mit
Hauptkommissar Seelmann verabredet. Auf der Autobahn herrschte dichter Verkehr.
Hanna lenkte den Wagen, während Lisa auf dem Beifahrersitz saß und die Aussicht
genoss.
»Das hätte ich mir mal nicht träumen lassen«, murmelte sie und
streckte ihre Arme aus. Sie hatte ein wenig geruht.
»Was?«, fragte Hanna.
»Außendienst. Ich komme mir vor wie eine Ermittlerin«,
antwortete Lisa. »Ich glaube, dass Trevisan einen ganz neuen Wind in unsere
Abteilung bringt. Es wurde langsam Zeit, dass Smisek die Segel streicht. Und
wie Trevisan mit Teufelchen gesprochen hat … – Ich glaube, der versteht sein
Handwerk.«
Hanna blickte eher skeptisch drein. »Ich lass das erst einmal
auf mich zukommen. Ehrlich gesagt war das mit Smisek gar nicht so schlecht.
Zumindest hatten wir immer pünktlich Feierabend. Ermittlungsarbeit kann nämlich
auch ganz schön anstrengend sein.«
Lisa ließ Hannas Einwand kalt. Sie freute sich über die
Abwechslung. »Wo sind wir?«, fragte sie.
»Noch etwa dreißig Kilometer bis Flensburg.«
»Glaubst du, dass wir die Verbrecher schnappen?«
Hanna setzte den Blinker und überholte einen Lastwagen. »Ich
weiß nicht, die Tat liegt schon ganz schön lange zurück. Und wenn das Mädchen,
diese Tanja, nicht wieder zu sich kommt, dann werden wir nie erfahren, wo man
sie gefangen gehalten hat.«
»Ja, ich denke die ganze Zeit daran«, antwortete Lisa
nachdenklich. »Sie muss die Hölle durchgemacht haben. Drei Jahre lang gefangen
und missbraucht. Süchtig gemacht. Ich glaube, ich hätte mir spätestens nach
einer Woche etwas angetan.«
Hanna scherte nach dem Überholvorgang wieder ein. »Wir werden
es ja sehen. Seelmann wird uns ins Krankenhaus mitnehmen, dann können wir uns
selbst ein Bild machen. Bislang sieht die Sache nicht erfolgversprechend aus.
Die Spurenlage ist einfach zu dünn. Die Fasern, die man an der Kleidung des
Mädchens gefunden hat, lassen sich nicht eindeutig einem Fahrzeugtyp zuordnen,
und beobachtet hat auch niemand etwas.«
»Ich verstehe das nicht. Das war doch eine Bundesstraße, auf
der man sie fand!«
»Es war nur wenig Verkehr.«
»Mir geht das Bild ihrer Freundin nicht mehr aus dem Kopf,
dieser Melanie. Ich muss immer daran denken, dass sie noch irgendwo in einem
Verlies sitzt und auf Rettung wartet. Wir müssen einfach herausfinden, was
passiert ist. Wir sind es den beiden Mädchen schuldig.«
Als Hanna in die Abfahrt einbog, bremste sie den Wagen ab. Eine
kleine Schlange hatte sich an der Einmündung gebildet und sie mussten warten.
»Weißt du, das Dumme an der Ermittlungsarbeit ist, dass vieles,
was wir tun, völlig umsonst ist«, sagte sie. »Und wenn wir nicht mehr
herausfinden, dann bleibt dieser Fall ungelöst. Das ist eben das Schicksal
eines Ermittlers.« Die Einmündung war frei und Hanna bog in Richtung Flensburg
ab.
»Ich verstehe nicht, warum du damals dein Dezernat verlassen
hast und in das LKA gewechselt bist«, sagte Lisa nach einer Weile des
Schweigens. »Diese Arbeit ist doch viel interessanter, als den ganzen Tag vor
dem Computer zu sitzen und Dateien zu vergleichen. Warum wolltest du in den
Innendienst?«
Hanna legte den Kopf leicht schräg und schaute in den
Rückspiegel. »Weißt du, wenn du lange genug im Schmutz gewühlt hast, dann
reicht es irgendwann. Außerdem war die Stelle beim LKA besser dotiert. So ist
es oft bei der Polizei. Der Ermittlungsdienst ist anstrengend und belastend.
Man schlägt sich so manche Nacht um die Ohren, oftmals umsonst, und man kriegt
das gleiche Geld wie die Kollegen, die Tag um Tag im Warmen sitzen. Und am Ende
arbeitet man sich auf, nimmt seine Leichen mit nach Hause, bis sie einen nicht
mehr in Ruhe lassen. Aber keiner fragt danach, als Ermittler musst du funktionieren,
verstehst du?«
Vor einer Ampel mussten sie stoppen. Hanna betrachtete
nachdenklich das Rotlicht. »Vielleicht gibt man irgendwann auch auf, weil man
oft genug nichts erreicht und am Ende die Verbrecher lachend
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