Der Sohn des Apothekers (German Edition)
solltest dich endlich um den Schnüffler kümmern, das tut nicht gut, wenn der
hier herumstreift.«
»Wir sind ein freies Land«, antwortete der Grauhaarige.
Trevisan aß seinen Teller leer und trank sein Bier. Als die
Wirtin das Geschirr abräumte, zahlte er. »Wo geht es hier denn zum Bannsee?«,
fragte er die Frau.
Am Stammtisch erstarben die Gespräche und die beiden
verbliebenen Männer wandten Trevisan für einen Augenblick die Köpfe zu.
»Raus, rechts und dann immer der Straße nach«, antwortete die
Frau. »Aber zum Steinhuder Meer geht es die andere Richtung.«
»Ich will mir mal die Gegend um den Bannsee anschauen«,
antwortete Trevisan.
»Dort gibt es aber nichts zu sehen, was einen Wanderer
interessieren könnte.«
»Es soll dort ein paar Torfgruben geben«, antwortete Trevisan
»Ja, da gibt es ein paar, aber bleiben Sie auf dem Weg«, rief
ihm der graumelierte Mann vom Stammtisch zu. »Wäre nicht das erste Mal, dass
jemand da reingerät und wir ausrücken müssen, um ihn herauszuholen.«
»Sie sind Feuerwehrmann?«, fragte Trevisan.
Der Grauhaarige schüttelte den Kopf. »Ich bin Polizist in
Mardorf. Kann ich Ihnen helfen?«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Nein, ich will hier nur ein paar
Tage ausspannen und wandern. Ein Verwandter von mir verdingte sich ein paar
Jahre als Torfstecher, deshalb möchte ich mal sehen, wie so eine Grube
aussieht.«
Der Polizist nickte. »Ach so. Aber wie gesagt, passen Sie auf.
Wenn Sie vom Weg abkommen, kann es gefährlich werden. Die Gruben sind
aufgeweicht und manche voller Schlamm, da kann man leicht drin versinken.«
Trevisan lächelte freundlich. »Vielen Dank, ich werde Ihren Rat
beherzigen.«
*
Lisa wandte sich ab und fuhr sich über die feuchten Augen.
Das Mädchen, das hinter der Glassscheibe regungslos im Bett lag, mit
zerschundenem Körper und verschwollenem Gesicht, sah bemitleidenswert aus.
Schläuche und Kabel führten von ihrem Körper zu Geräten und Monitoren.
»Wir sind noch keinen Schritt weiter«, seufzte Hauptkommissar
Seelmann.
»Wie steht es mit den Ermittlungen in Dänemark, gibt es da
etwas Neues?«, fragte Hanna.
»Es sieht schlecht aus«, berichtete Seelmann. »Die Mädchen, die
man in Padborg aus den Fängen dieser Verbrecher befreit hat, waren schon an ein
Bordell in Holland vermittelt. Es sieht so aus, als wäre die Gruppe in den
Menschenhandel von Ost nach West verwickelt. Es gibt Verbindungen zu den
Rotlichtvierteln in Holland, Deutschland und Schweden. Die Kerle hatten das gut
organisiert. Die Mädchen wurden über eine Arbeitsvermittlung in der Ukraine
angeworben und dachten, sie würden in Deutschland als Haushälterinnen und
Wirtschafterinnen arbeiten. Aber in Wirklichkeit nahm man ihnen die Pässe ab,
hielt sie gefangen und machte sie gefügig. Später sollten sie in den
Rotlichtbezirken arbeiten, wo man ihnen versprach, wenn sie zwei Jahre
ordentlich anschafften, bekämen sie ihre Pässe zurück und könnten wieder
abreisen oder auch hier bleiben. Die gekidnappten Mädchen vom Steinhuder Meer
passen da überhaupt nicht in das Muster, deshalb müssen wir davon ausgehen,
dass eure Radfahrerinnen nicht unbedingt mit den Rockern zu tun haben.«
»Das würde bedeuten, dass wir auf einer völlig falschen Spur
sind«, antwortete Hanna. »Aber es gibt einen Hinweis auf einen dänischen
VW-Bus.«
»Ich weiß, ich kenne die Aktenlage«, antwortete Seelmann.
»Deswegen laufen die Ermittlungen mit Dänemark auch noch, aber es ist
schwierig, mit der Reichspolizei vernünftig zusammenzuarbeiten. Die benehmen
sich manchmal wie ein Geheimdienst und geben nicht alle Details preis.«
Hanna fasste Lisa an der Schulter. »Ist alles in Ordnung?«
Lisa schüttelte den Kopf und wischte sich eine Träne von der
Wange.
»Erstes Gebot im Ermittlungsdienst: nichts an sich heranlassen«,
flüsterte Hanna Lisa ins Ohr. »Das ist unser Beruf und wir müssen objektiv
arbeiten können. Unsere Empfindungen dürfen keine Rolle spielen. Meinst du, du
schaffst es?«
Lisa atmete tief ein, schließlich nickte sie. Gemeinsam
verließen sie die Intensivstation. Als sich die grüne Tür hinter ihnen schloss,
sprang eine Frau von einem Stuhl auf und eilte auf Hauptkommissar Seelmann zu.
»Ist sie wach, hat sie etwas gesagt?«, fragte die Frau, die
wohl Anfang fünfzig war und ihre Haare zu einem Zopf zusammengebunden hatte.
Sie wirkte ausgezehrt und kraftlos.
Seelmann schüttelte den Kopf. »Aber sobald sich etwas ändert,
sage ich Bescheid,
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