Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Mann, wohl an die sechzig
Jahre alt, in einer mit einem Vorhang abgehängten Tür erschien. Er lächelte
freundlich und fragte Justin, was er denn für ihn tun könne. Justin Belfort zog
seinen Presseausweis aus der Jacke und stellte sich vor.
»Herr Staufert, ich würde gerne mit Ihnen über das Verbrechen
reden, das sich vor drei Jahren in der Nähe des Bannsees ereignet hat«,
erklärte er. »Sie haben damals ein Presseinterview für die HAZ gegeben
und berichtet, dass sie an dem betreffenden Tag einen weißen VW-Bus gesehen
haben, der etwa zur Tatzeit aus dem Wald kam.«
»Ja, das ist richtig«, bestätigte Staufert. »Der Polizei habe
ich das auch erzählt, doch offenbar kam da nichts bei raus. Ich habe nie mehr
was davon gehört.«
»Sie beschrieben den Bus als alt und teilweise verrostet,
außerdem soll er ein dänisches Kennzeichen gehabt haben.«
»Das ist richtig«, wiederholte der alte Ladeninhaber.
»Wie kamen Sie darauf, dass es ein dänischer Bus sein könnte?
Sie haben doch nur Teile des Kennzeichens abgelesen.«
Der alte Mann umrundete den Tresen und blieb neben Justin
stehen. »Eigentlich habe ich beschlossen, mit niemandem mehr darüber zu reden
und vor allem mit der Presse nicht mehr. Sie müssen wissen, damals war die
Hölle hier los. Diese armen Mädchen! Aber das, was manche über unser Dorf
berichtet haben, war so nicht in Ordnung. Ihre Kollegen haben unser schönes
Dorf als Ort des Grauens beschrieben. Und als dann auch noch der arme Sven verhaftet
wurde, da stellte man unser Dorf dar, als würden hier nur Mörder und
Vergewaltiger wohnen. Sie können sich vorstellen, was hier los war. Kein
Tourist will dort Urlaub machen, wo Mädchen spurlos verschwinden. Beinahe alle
Pensionen und Fremdenzimmer blieben in dem Sommer leer.«
Justin nickte. »Ich weiß, und das finde ich von meinen Kollegen
auch nicht in Ordnung. Aber ich bin hierhergekommen, um über genau diese
Missstände zu berichten. Außerdem hat sich die Polizei damals auch nicht mit
Ruhm bekleckert.«
Staufert wandte sich um und blickte zum Schaufenster hinaus.
»Der Sven war das nicht, das wusste jeder im Dorf.«
»Nun ist eines der Mädchen in Flensburg aufgetaucht, doch
leider ist es schwer verletzt und liegt im Koma. Die Sache mit dem dänischen
Bus rückt deshalb immer mehr in den Fokus, verstehen Sie?«
»Sie meinen, weil die beiden damals möglicherweise entführt
wurden?«
»Genau, und in Dänemark
wurde eine Rockerbande ausgehoben, die zwei junge Frauen in einem Verlies
gefangen hielt.«
»Ich kenne mich mit Kennzeichen aus, außerdem steht die Länderkennung
bei den dänischen Kennzeichen vorne auf dem Nummernschild. Und da stand ganz
deutlich DK, das steht für Dänemark. GA waren die Buchstaben, die Zahlen konnte
ich mir nicht merken.«
»Noch nicht mal eine Idee?«, fragte Justin.
»Ich war damals auf dem Wiesenweg unterwegs und führte meinen
Hund aus«, erklärte der alte Mann. »Kurz hinter Tjadens Hof ließ ich ihn
laufen, da kam der Bus aus dem Wald herausgefahren. Es war ein weißer Bus mit
seitlichen Schiebetüren, die am unteren Rand verrostet waren. Auf dem Dach
hatte er einen Aufbau, so wie diese Campingbusse.«
»Es könnte also ein
Wohnmobil gewesen sein?«, fragte Justin.
»Ja, das wäre möglich, und es war nicht der runde VW-Bus, es
war das eckige Modell. Das hat mir nie so recht gefallen.«
»Erinnern Sie sich noch an die Uhrzeit?«, fragte Justin.
Staufert überlegte und strich sich über das Kinn. »Ich sagte
damals schon, dass ich es nicht genau sagen kann, aber es war zwischen vier und
sechs Uhr. Ich meine, kurz nach fünf, wenn ich mich nicht täusche.«
»Die Wirtin des Klosterkrug es sah den Wagen etwa eine
Stunde zuvor im Dorf«, bemerkte Justin.
»Ja, so war es wohl, aber ich kann Ihnen beim besten Willen
nicht sagen, wie viele Leute drinnen saßen. Ich war da schon ein Stück auf die
Wiese gegangen, deswegen konnte ich nicht reinschauen und die Seitenscheiben
waren abgedunkelt.«
»Gab es sonst noch etwas Ungewöhnliches?«
Staufert schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste, übrigens
habe ich genau dies der Polizei erklärt.«
Justin lächelte. »Darf ich Sie zitieren?«
»Von mir aus, aber wenn Sie wieder über unser Dorf herziehen …«
»Keine Angst«, beeilte sich Justin zu versichern. »Ich schreibe
einen fairen und ausgewogenen Bericht. Ich bin kein Richter und stelle
niemanden an den Pranger, ich will nur herausfinden, was damals wirklich
geschehen
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