Der Sohn des Apothekers (German Edition)
versprochen.«
Die Frau nickte. Enttäuschung stand deutlich in ihr Gesicht
geschrieben, als sie sich umwandte und zurück zu ihrem Stuhl ging, der neben
einem Blumenkübel stand. Ohne weitere Worte setzte sie sich nieder und blickte
zu Boden.
»Wer ist das?«, fragte Hanna.
»Das ist die Mutter von Melanie Reubold«, erklärte Seelmann.
»Sie ist hier, seit bekannt wurde, dass man Tanja aufgriff. Sie hat das Mädchen
dort drinnen sofort wiedererkannt. Seitdem sitzt sie den ganzen Tag auf diesem
Stuhl und wartet darauf, dass Tanja wieder zu sich kommt, um sie zu fragen, wo
ihre Tochter ist.«
»Das ist schlimm, sehr schlimm«, stöhnte Hanna.
»Das ist alles, was sie hat«, entgegnete Seelmann. »Ein kleines
Stück Hoffnung, mehr hält das Schicksal im Augenblick wohl nicht für sie
bereit.«
12
Trevisan verließ den Klosterkrug und bog nach rechts
ab. Vorbei an der Arztpraxis ging er Richtung Norden, den Wiesenweg entlang.
Auf einer Radwanderkarte hatte er alles für den Fall Relevante eingezeichnet.
Er ließ den Autohändler rechts liegen, schlenderte am Grubhof vorbei, wo Bauer
Tjaden wohnte, und ging in Richtung Waldrand. Ausgedehnte Wiesen und
Obstbaumgrundstücke säumten seinen Weg. Ein kleines Hinweisschild an einem Baum
wies den Weg zum Bannsee. Der Streckenangabe nach war er noch drei Kilometer
entfernt.
Am Waldrand zog Trevisan seine Karte hervor und orientierte
sich. Er fragte sich, ob die Mädchen damals diesen Weg gefahren waren, verwarf
aber den Gedanken, da von Neustadt ein weitaus kürzerer Weg schätzungsweise
zwei Kilometer weiter östlich in den Wald führte. Wahrscheinlich hatten sie
damals den anderen Weg genommen, denn laut Aktenlage waren niemandem im Ort die
Mädchen aufgefallen.
Trevisan schnaufte ordentlich, als er an die Weggabelung kam,
wo der Wiesenweg mit dem von Neustadt kommenden Weg zusammentraf. Er blieb
stehen und betrachtete die Umgebung. An einem Baumstamm entdeckte er ein Schild
in Form eines Pfeils, das auf den Bannsee hinwies, eine weitere Hinweistafel
zeigte den Weg zum Campingplatz und in die Nachbargemeinde Schneeren. Trevisan
ging weiter nach Westen und folgte der angegebenen Richtung zum Bannsee.
Nach einem weiteren Kilometer warf er wieder einen Blick auf
seine Karte. Eine Lichtung tat sich rechts des Weges auf. Dort gab es eine
Feuerstelle aus lose zusammengelegten Steinen. Ein paar angesengte Äste lagen
darin. Trevisan trat näher und musterte die Umgebung. Er untersuchte die
Feuerstelle und fand einige angesengte Kronkorken der gleichen Biersorte, die
er auch im Abfalleimer auf dem Kirchplatz von Tennweide gesehen hatte. Wahrscheinlich
nutzten die Jugendliche aus dem Ort diesen Platz, um ungestört feiern und
trinken zu können.
Er fasste in seine Hosentasche und zog die Fotos hervor, die
damals vom möglichen Tatort und dem Umfeld gemacht worden waren. Zwar hatte
sich einiges verändert, doch im Groben entsprachen die Fotografien noch immer
der tatsächlichen Umgebung. Unweit dieses Platzes hatte der junge Apothekersohn
laut Akten die Halskette eines der Mädchen gefunden. Trevisan betrachtete das
Polizeifoto der Lichtung, die beiden großen Bäume waren augenfällig und dienten
ihm als Orientierung. Alles passte, sogar die Feuerstelle, die sich damals
allerdings etwas näher am Weg befunden hatte.
Trevisan ging auf dem Waldweg Richtung Bannsee weiter, der sich
wohl knapp einen Kilometer weiter westlich befinden musste. Nach weiteren
dreihundert Metern traf er auf eine Kreuzung. Ein Waldweg zweigte nach Süden
ab, ein weiterer führte nach Norden. Er blickte sich um, dichter Wald umgab ihn.
Undurchdringliches Gestrüpp mit dornigen Ästen säumte die beiden abzweigenden
Wege. Hier hinein würde wohl kaum jemand seine Opfer zerren, es kam also nur
die kleine Lichtung als Tatort in Frage. Nach den Fotografien musste hier die
Stelle sein, an der Sven Thiele, der Apothekersohn, die Halskette gefunden
hatte.
Trevisan ging wieder zurück zur Lichtung, die sich
schlauchförmig in den Wald erstreckte, bis dichtes Buschwerk sie im Norden
begrenzte.
»Ja, hier … hier könnte es gewesen sein«, murmelte er. Ruhig,
abgeschieden, dichter Baumbestand und ein von Buschwerk umsäumter Platz,
zweifellos ein idealer Ort für einen Überfall.
Trevisan orientierte sich erneut auf seiner Karte und lief
weiter nach Westen. Er passierte die Feldwegkreuzung und setzte seinen Weg zum
Bannsee fort, bis wieder ein Weg nach Süden abzweigte. Er folgte ihm und suchte
nach der
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