Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Stelle, wo Bauer Tjaden die Räder gefunden hatte.
Beinahe hätte er den fast zugewucherten Weg übersehen, der von
Sträuchern und Farnen eingerahmt wurde und weiter in Richtung Westen führte.
Auch auf den Polizeifotos von damals war er nur schwer zu erkennen, lediglich
zwei Fahrspuren führten durch das Gestrüpp ins Dickicht. Offenbar hatte sich
die Natur in den letzten drei Jahren Stück um Stück der Fahrspur wieder
zurückgeholt.
Trevisan schlug sich in die Büsche und folgte den überwucherten
Spuren. Nur langsam kam er voran, denn die Vegetation wurde immer üppiger.
Damals war der Weg den Fotos nach in einem besseren Zustand gewesen. Etwa
fünfzig Schritte kämpfte er sich voran, dann überwucherte dichtes
Dornengestrüpp die Fahrspuren. An für sich war dieser Platz kein schlechtes
Versteck. Wenn nicht zufällig Bauer Tjaden hier mit seinem Traktor unterwegs
gewesen wäre, dann hätten die Räder wohl noch eine ganze Weile hier unentdeckt
gelegen.
Tjaden hatte damals ausgesagt, dass die Räder gut sichtbar
direkt neben dem Gebüsch abgelegt worden waren. Einerseits sprach das dafür,
dass sich die Täter wohl keine sonderliche Mühe gegeben hatten, sie
verschwinden zu lassen. Andererseits, angesichts der üppigen Vegetation, die
den Weg säumte, konnte es auch reiner Zufall gewesen sein. Vielleicht hatten
die Täter nicht damit gerechnet, dass dieser Weg überhaupt befahren wurde.
Bis auf den gleichförmigen Singsang einiger Vögel war es
vollkommen still. Trevisan schaute auf seine Uhr, beinahe eineinhalb Stunden
waren vergangen und noch immer war er keiner Menschenseele begegnet. Er setzte
sich auf einen alten Baumstumpf und grübelte eine Weile. Dann verließ er die
Lichtung und folgte dem Weg bis zum Bannsee.
Er war überrascht, denn mit einem See hatte dieses ausgetrocknete
Stück Stein und Staub nichts zu tun. Lediglich ein kleines Biotop innerhalb
einer Baumgruppe mit brackigem Wasser gab es hier zu bewundern und die Luft war
von einem fauligen, modrigen Gestank erfüllt. Er ging zurück auf den Weg. Campingplatz
1,5 km , hieß es auf einem weiteren Schild, das an einen Baum genagelt
worden war und in Richtung Westen zeigte.
Trevisan kehrte um, er hatte
genug gesehen. Für ihn stand fest, dass in erster Linie die vom Bannsee knapp
zwei Kilometer entfernte Lichtung als Tatort in Frage kam. Er ging zurück ins
Dorf. Als er in der Ferienwohnung ankam, war er vollkommen durchgeschwitzt.
Seine Schuhe waren von einer dicken Schicht Schlamm überzogen. Vor dem Haus zog
er sie aus und ärgerte sich, dass er kein zweites Paar eingepackt hatte. Er war
müde und seine Glieder schmerzten, doch eine warme Dusche schaffte Abhilfe. Es
wurde Zeit fürs Abendessen. Noch bevor er sich wieder angezogen hatte, klingelte
sein Handy.
*
Hanna und Lisa waren mit Hauptkommissar Seelmann auf die
Flensburger Dienstelle gefahren, und er wies sie in die aktuelle Aktenlage ein.
Leider gab es noch immer keine neuen Erkenntnisse.
»Wir wissen, dass Tanja aus einem fahrenden Wagen gestoßen
wurde, wir wissen, dass sie stark heroinabhängig ist und wir wissen durch den
DNA-Test, dass es sich um die verschwundene Tanja Sommerlath handelt. Außerdem
konnten wir den Tatort ermitteln und haben ein paar Faserspuren sichergestellt,
die zu Autositzen der Marken, VW, Audi, Seat, Fiat, Lada, Renault, Dacia und
Peugeot passen. Mehr wissen wir derzeit leider nicht.«
»Und es ist ausgeschlossen, dass sie selbst aus dem Wagen
gesprungen ist?«, fragte Hanna.
»Wir gehen davon aus, dass sie herausgeworfen wurde«,
entgegnete Seelmann. »Der Rechtsmediziner hat das Mädchen untersucht und
Druckstellen festgestellt, die dafür sprechen, dass sie jemand an ihren Armen
festhielt. Außerdem befanden sich Hämatome an ihrem Oberbauch, die nicht vom
Sturz stammen und darauf hindeuten, dass sie getreten wurde. Wir haben mal
versucht, eine Wagentür bei hundert Stundenkilometern zu öffnen. Das ist gar
nicht leicht, deswegen nehmen wir an, dass ein Bus im Spiel war, der über
Schiebetüren verfügt. Da passt euer VW-Bus wieder ins Bild. Und Dänemark wäre
ja auch nicht weit entfernt, wenngleich die Ermittlungen der dänischen Reichspolizei
gegen die Rockerbande unsere Theorie eher entkräften.«
»Mal angenommen, jemand will das Mädchen ein für alle Mal
loswerden«, überlegte Lisa laut. »Da gäbe es doch ganz andere Methoden.
Außerdem muss der Täter ja damit rechnen, dass die Ermittlungsmaschine wieder
auf vollen Touren
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