Der Sohn des Azteken
und ›Unsinn‹ angestellt hat.«
Ich sagte trocken: »Ich hätte auf deine Listen und Machenschaften lieber verzichtet und die Dinge selbst in die Hand genommen. Denn wenn ich Aztlan, wie du gesagt hast, gesäubert habe, ayya, dann bleibst nur du als einziger Mensch übrig, dem ich nicht zu trauen wage.«
»Es ist einzig und allein deine Sache, wem du vertraust und wem nicht. Aber G’nda Ké ist deine Freundin, soweit sie überhaupt die Freundin eines Mannes sein kann.«
»Dann mögen mir alle Götter beistehen«, murmelte ich, »wenn du jemals meine Feindin werden solltest.«
»Stell G’nda Ké eine Aufgabe, die dein Vertrauen in sie erfordert. Dann wirst du sehen, ob sie es verdient.«
»Ich habe dir bereits zwei Aufgaben übertragen. Beseitige alle Dienstboten im Palast. Suche die Getreuen, die gegangen sind, und rufe sie zurück. Hier ist eine weitere. Schicke Boten zu allen Mitgliedern des Rates in Aztlan, Tépiz, Yakóreke und überall sonst und bitte sie, sich morgen um die Mittagszeit im Thronsaal einzufinden.«
»Das wird geschehen.«
»Während ich draußen die Spreu aus meinem Heer siebe, bleibst du hier im Palast, damit dich niemand sieht. Viele Männer auf dem Platz werden sich fragen, warum ich dich nicht als erste umgebracht habe.«
Unten erwartete mich Pakápeti und berichtete, daß Améyatl frisch gebadet und parfümiert sei. Sie habe gegessen und sei inzwischen in den Schlaf der Erschöpfung gesunken.
»Danke, Zehenspitze«, sagte ich. »Ich möchte, daß du bei mir bist, wenn ich jetzt die Krieger da draußen in Augenschein nehme. Nochéztli soll alle die für mich kenntlich machen, die ich mir vom Hals schaffen muß. Allerdings weiß ich nicht, wieweit ich mich auf ihn verlassen kann. Er wird vielleicht die Gelegenheit nutzen, um alte Rechnungen zu begleichen – etwa mit Vorgesetzten, die ihm eine Beförderung verweigert, oder ehemaligen Liebhabern, die ihn verschmäht haben. Bevor ich meine Entscheidung fälle, werde ich dich vielleicht um die Meinung einer Frau bitten.«
Wir gingen über den Hof, wo die Sklaven immer noch auf die Pferde achtgaben, sich dabei aber nach wie vor nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen schienen. Am offenen Tor in der Mauer, wo Nochéztli auf uns wartete, blieben wir stehen. Bis auf etwa zehn Schritte vor der Mauer füllten Mannschaften und Offiziere in Kampfausrüstung, jedoch unbewaffnet, den Platz. Jeder fünfte Mann hielt eine Fackel in der Hand, damit ich die einzelnen Gesichter sehen konnte. Hier und da trug einer das Banner der Einheit eines bestimmten Ritters oder den kleineren Wimpel eines Trupps unter Führung eines Cuáchic, eines ›alten Adlers‹. Ich glaube, das angetretene Heer der Stadt hatte eine Stärke von etwa tausend Mann.
»Krieger, stillgestanden!« brüllte Nochéztli, als habe er sein Leben lang Truppen kommandiert. Die wenigen Männer, die mit hängenden Schultern dastanden oder sich unruhig bewegten, richteten sich sofort auf. Nochéztli fuhr mit lauter Stimme fort: »Hört die Worte eures Uey-Tecútli Tenamáxtzin!«
Ob aus Gehorsam oder aus Unsicherheit, die Schar der Männer verstummte, so daß ich nicht die Stimme heben mußte. »Ihr seid auf meinen Befehl hier zusammengerufen worden. Der Tequíua Nochéztli wird nun, ebenfalls auf meinen Befehl, durch eure Reihen gehen und die Schultern bestimmter Männer berühren. Jeder dieser Männer wird vortreten und sich an der Mauer dort drüben aufstellen. Das geschieht schnell, ohne Protest, ich dulde keine Fragen, keinen Laut, bis ich wieder spreche.« Nochéztlis Ausmusterungsvorgang dauerte so lange, daß ich ihn nicht Schritt für Schritt und Mann für Mann schildern werde. Doch als er die letzte, am weitesten entfernte Reihe abgeschritten hatte, zählte ich vor der Mauer einhundertachtunddreißig Männer, die zum Teil unglücklich, zum Teil beschämt oder trotzig wirkten. Ihre Stellungen im Heer reichten vom einfachen Yaoquizquin-Rekruten über die Ränge der Íyactin und Tequiuatin bis zu Cuáchictin-Unteroffizieren. Ich schämte mich, als ich feststellte, daß die Schurken alle Azteca waren. Unter ihnen befand sich nicht ein einziger der alten Mexica-Krieger, die vor langer Zeit aus Tenochtitlan gekommen waren, um das Heer auszubilden, und auch kein jüngerer Mexica, der vielleicht der Sohn eines dieser stolzen Männer hätte sein können. Der höchste Offizier an der Mauer war ein Aztécatl-Ritter, doch er gehörte dem Pfeilorden an. Der Jaguarorden und der Adlerorden
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