Der Sohn des Azteken
G’nda Ké ist es gleichgültig, was herumstreifende Jäger mit euch anstellen würden, aber sie möchte nicht selbst getötet werden, bevor sie die Möglichkeit gehabt hat, ihre Landsleute in der eigenen Sprache zu begrüßen.«
Danach bewegten wir uns beinahe genauso verstohlen vorwärts wie Ualiztli und ich auf unserer Flucht aus Compostela, als wir durch das Gebüsch gekrochen waren. Doch wie sich herausstellte, war unsere Vorsicht unnötig. Drei oder vier Tage lang stießen wir auf keinen Menschen. In dieser Zeit stiegen wir von den dicht bewaldeten Bergen hinab in einen Landstrich mit welligen Hügeln und mit niedrigem Bewuchs. Auf einem solchen Hügel sahen wir unsere ersten Yaki. Es war eine Gruppe von sechs Jägern. Sie entdeckten uns etwa zur gleichen Zeit. G’nda Ké rief ihnen eine Begrüßung zu und hielt sie so von einem Angriff ab. Sie blieben stehen und musterten G’nda Ké abweisend, die uns vorausging, um ihnen die Lage zu erklären. Sie sprach immer noch in der unschönen Yaki-Sprache, die nur aus Grunzen, Zungenschnalzen und Knurren zu bestehen scheint, auf die Männer ein, als wir vier uns näherten. Die Jäger sagten überhaupt nichts, sondern starrten uns ebenfalls unfreundlich an. Doch sie machten auch keine Anstalten, uns zu bedrohen. So nutzte ich die Gelegenheit, sie genauer zu betrachten, während G’nda Ké weiter diese merkwürdigen Laute von sich gab.
Sie hatten gut geschnittene Falkengesichter und muskulöse Körper. Doch sie waren ungefähr so schmutzig wie unsere Priester und trugen auch ihr fettiges und wirres Haar so lang wie diese. Sie waren bis zur Hüfte nackt. Zuerst glaubte ich, sie trügen Röcke aus Tierfellen. Dann erkannte ich, daß die Röcke in Wirklichkeit lose herabhängende Haare waren, so lang wie die der Männer und viel länger, als man sie bei Tieren kennt. Es handelte sich um Menschenhaare. Die getrockneten Kopfhäute waren mit Stricken um die Hüften der Männer befestigt. Einige hatten die Beute des Tages hinzugefügt – kleine Tiere, deren Schweife ebenfalls am Gürtel mit den Skalps hingen. Es gibt in diesem Land viele verschiedene Tiere im Überfluß, und die Yaki jagen und essen sie. Doch die Männer verzehren am liebsten das Fleisch des Tlecuachi mit dem Bauchbeutel, denn es ist mit viel Speck durchwachsen. Sie glauben, das viele Fett verleihe ihnen Ausdauer auf der Jagd und bei ihren Raubzügen. Ihre Waffen waren primitiv, aber deshalb kaum weniger tödlich als unsere. Bogen und Speere bestanden aus Rohr, die Pfeile aus starrem Schilf, die Speere mit ihren drei Zacken glichen denen mancher Fischervölker. Pfeile und Speere hatten Spitzen aus Feuerstein. Das war ein sicheres Zeichen dafür, daß die Yaki noch nie etwas mit einem der Völker im Süden zu tun gehabt hatten, die das Obsidian kennen. Sie trugen keine Schwerter wie unsere Maquáhuime, doch von den Handgelenken zweier oder dreier Männer hingen an Lederriemen Keulen aus Quauxelolóni-Holz, das so hart und schwer ist wie spanisches Eisen.
Einer der sechs Yaki machte grunzend eine kurze Bemerkung zu G’nda Ké und wies mit einer herrischen Kopfbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dann drehten sie sich alle wortlos um, gingen davon, und wir folgten ihnen. Ich fragte mich besorgt, ob G’nda Ké ihre Landsleute lediglich gedrängt hatte, uns zu einer größeren Gruppe von Jägern zu bringen, damit sie uns leichter überwältigen, skalpieren und erschlagen konnten.
Entweder hatte sie das nicht getan, oder es war ihr nicht gelungen, die Männer zu unserer sofortigen Ermordung zu überreden. Ohne auch nur einmal den Kopf zu wenden, um zu sehen, ob wir ihnen folgten, führten sie uns den ganzen Tag durch die Hügel, bis wir am Abend ihr Dorf erreichten. Es lag am Nordufer eines Flusses, der keineswegs überraschend Yaki hieß. Das Dorf hatte man ebenso einfallslos Bakum genannt, was nur Ort am Wasser bedeutet.
Für mich war es ein Dorf, doch G’nda Ké beharrte darauf, es sei eine Stadt, und erklärte: »Bakum ist eine der Uonáiki, das heißt, eine der Acht Heiligen Städte, die von den ehrwürdigen Propheten gegründet wurden, die in Batna’atóka, zu früheren Zeiten, aus dem Volk der Yaki hervorgegangen sind.«
In Hinblick auf die Lebensbedingungen und Annehmlichkeiten hatte Bakum seit damals offenbar wenig Fortschritte gemacht, wie weit diese früheren Zeiten auch zurückliegen mochten. Die Menschen lebten in roh zusammengefügten Hütten mit gewölbten Dächern. Die
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