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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Angriff. Deshalb begruben alle Yaki Yoem’sontáom einmal im Jahr ihre Feindseligkeiten und machten sich auf den Weg zu ihren Verwandten vom Wüstenvolk. Die wiederum freuten sich sozusagen über das Eindringen in ihr Gebiet, denn es bot ihnen einen guten Vorwand, ein paar ihrer Vettern von den Ópata, Mayo und Káhita zu erschlagen.
    In einem Punkt hatte ich mir jedoch keine falschen Vorstellungen gemacht. Das betraf die schlechte Behandlung der Yaki-Frauen. Ich hatte G’nda Ké immer nur als Yaki bezeichnet und erfuhr erst in Bakúm, daß sie dem Stamm der Mayo angehörte. Ich hätte gedacht, sie betrachte es als einen glücklichen Umstand, daß die Jäger, die wir getroffen hatten, auch Mayo waren und sie in ein Mayo-Dorf brachten. Weit gefehlt! Ich erkannte bald, daß man die Frauen nicht als Mayo oder Káhita oder Ópata ansah. Frauen galten als die denkbar niedrigste Lebensform. Bei unserer Ankunft in Bakum wurde G’nda Ké keineswegs als lang vermißte Schwester begrüßt, die endlich in den Schoß ihres Volkes zurückkehrte. Alle Dorfbewohner, einschließlich der Frauen und Kinder, begrüßten ihr Erscheinen mit den gleichen kalten Blicken wie die Jäger. Ebenso eisig musterten sie uns.
    Gleich am ersten Abend mußte G’nda Ké mit den anderen Frauen das Essen zubereiten. Es bestand aus fettem Tlecuáchi-Fleisch, Maiskuchen, gerösteten Heuschrecken sowie nicht identifizierbaren Bohnen und Wurzeln. Dann bedienten die Frauen, einschließlich G’nda Ké, die Männer und Knaben des Dorfes. Nachdem sie sich satt gegessen hatten und bevor sie davongingen, um Peyotl zu kauen, gaben sie durch beiläufige Gesten zu verstehen, ich, Ualíztli, Machíhuiz und Acocótli dürften uns mit dem begnügen, was sie übrigließen. Erst als wir vier beinahe alles aufgegessen hatten, wagten die Frauen, unter ihnen auch G’nda Ké, näherzutreten und sich über die Reste herzumachen.
    Wenn die Männer aller Yaki-Stämme nicht gerade mit dem einen oder anderen Vetter kämpften, gingen sie den ganzen Tag über auf die Jagd. Eine Ausnahme war dabei das Káhita-Dorf Be’ene an der Küste des Westmeeres. Dort sah ich später Männer, die mit ihren Dreizackspeeren stumpfsinnig fischten, und andere, die ohne großes Interesse nach Krebsen gruben.
    Bei den Yaki erledigten die Frauen grundsätzlich alle Arbeiten und lebten nur von Resten, auch von dem Rest an – ich kann nicht sagen ›Zuneigung‹ – Geduld, die ihre Männer am Ende eines langen Tages unterwegs mit nach Hause brachten.
    War ein Mann bei der Rückkehr freundlich gestimmt, begrüßte er seine Frau vielleicht mit einem Knurren, anstatt sie zu schlagen. War er auf der Jagd oder im Kampf sehr erfolgreich gewesen und wirklich guter Laune, ließ er sich vielleicht sogar dazu herab, sich seiner Frau etwas liebevoller zu nähern. Deshalb waren die Dörfer natürlich auch so spärlich bevölkert, denn solche Gelegenheiten waren selten. Meist waren die Männer bei ihrer Rückkehr schlecht gelaunt, stießen Flüche aus und schlugen die Frauen so blutig, wie sie gerne den Hirschen, den Bären oder den Gegner blutig geschlagen hätten, der ihnen entwischt war. G’nda Ké fand in Bakum neue Möglichkeiten, ihre Niedertracht unter Beweis zu stellen. Sie mußte wie eine Sklavin arbeiten. Doch sie nahm diese Demütigungen nicht gleichgültig hin wie die anderen Frauen. In ihr schwelte ein finsterer Zorn, denn selbst die anderen Frauen blickten auf sie herab, weil sie keinen Mann hatte, der sie wenigstens schlug. Ich und meine Begleiter lehnten es ab, ihr diesen Gefallen zu tun. Ich wußte, es wäre ihr nur recht gewesen, denn dann hätte sie ihren Stammesschwestern Ehrfurcht und Bewunderung einflößen können, indem sie ihnen von den weiten Reisen erzählte, von ihren Schandtaten und der Unruhe, die sie unter Männern gestiftet hatte. Doch die Frauen dachten überhaupt nicht daran, ihr auch nur zuzuhören, und die Männer brachten sie sofort mit Blicken zum Schweigen, wenn sie versuchte, mit ihnen zu reden. Vielleicht war G’nda Ké zu lange weg gewesen und hatte vergessen, daß sie selbst in der Gesellschaft dieser rohen unwissenden Menschen ihres Volkes völlig bedeutungslos sein würde, ja, daß sie noch weniger galt als Ungeziefer. Ich glaube, je länger wir blieben, desto mehr hatte sie das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Die Schuld daran gab sie natürlich mir.
    Niemand schlug sie, doch jeder gab ihr Befehle, selbst die Frauen, die alle Arbeiten im Dorf erledigten oder

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