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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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untereinander aufteilten. Möglicherweise waren sie neidisch auf G’nda Ké, weil sie die Welt außerhalb des trostlosen Bakum gesehen oder einmal Männer herumkommandiert hatte. Vielleicht verachteten sie die Fremde einfach, weil sie nicht aus ihrem Dorf stammte. Was immer der Grund gewesen sein mag, sie waren so bösartig, wie nur engstirnige Frauen mit geringen Machtbefugnissen es sein können. Sie zwangen G’nda Ké, von morgens früh bis abends spät zu arbeiten. Es bereitete ihnen eine besondere Genugtuung, ihr die schmutzigsten und schwersten Aufgaben zu übertragen. Ich freute mich auf meine Weise darüber.
    Eines Tages zog sie sich eine kleine Verletzung zu. Eine Spinne biß sie beim Holzsammeln am Fußknöchel, und sie wurde krank. Ich hätte es eigentlich für unmöglich gehalten, daß eine so winzige giftige Kreatur wie eine Spinne ein so viel größeres und sehr viel giftigeres Wesen krank machen konnte. Wie auch immer, da man keiner Frau erlaubte, sich wegen irgendwelcher Unpäßlichkeiten der Arbeit zu entziehen, wenn sie nicht gerade ein Kind zur Welt brachte oder kurz vor dem Tod stand, wurde G’nda Ké, die lautstark gegen diese Demütigung protestierte, gezwungen, sich auf der blanken Erde auszustrecken, damit der Ticitl des Dorfes sie behandeln konnte.
    Wie Ualiztli mir später erklärte, tat der alte Spitzbube nicht wirklich etwas. Er setzte nur eine Maske auf, die böse Geister vertreiben sollte, stimmte einen lauten, grunzenden Singsang an und streute verschiedenfarbigen Sand auf die Erde, so daß Bilder entstanden, die keinen Sinn ergaben. Dabei schüttelte er die ganze Zeit eine mit Bohnen gefüllte hölzerne Rassel. Dann verkündete er, G’nda Ké sei gesund und könne arbeiten. Und sofort wurde ihr auch wieder eine Arbeit zugeteilt. Eine ganz kleine Auszeichnung billigte man G’nda Ké in Bakum jedoch zu. Wenn sie nichts anderes zu tun hatte, durfte sie als Dolmetscherin zwischen mir und den fünf Dorfältesten fungieren, da ich nie mehr als ein paar Worte ihrer Sprache gelernt hatte. Dann durfte sie endlich reden, und ich bin beinahe sicher, daß sie versucht haben muß, eine Heldin aus sich zu machen, indem sie mich als Quimichi brandmarkte, als einen Aufwiegler mit zweifelhafter Gesinnung, oder mir Eigenschaften zuschrieb, die die Ältesten vielleicht dazu veranlassen würden, meine Vertreibung oder gar Ermordung zu befehlen.
    Doch soviel weiß ich. Es gibt kein Wort für Heldin in der Sprache der Yaki. Ebensowenig existiert die Vorstellung von einer solchen Frau in den Köpfen der Yaki. Ich bin sicher, wenn G’nda Ké sich dieser Taktik bediente, hielten die Dorfältesten ihre Worte nur für das leere Gerede einer Frau, das niemand zu beachten brauchte. Falls sie darauf bestand, daß man uns Azteca tötete, und die alten Männer wären bereit gewesen, ihre Forderung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, hätten sie in ihrem Eigensinn bestimmt genau das Gegenteil getan. Deshalb war es möglicherweise einem von G’nda Kés falschen Spielen zu verdanken, daß die Dorfältesten mir nicht nur erlaubten, zu bleiben und meine Anliegen vorzutragen, sondern mir sogar aufmerksam zuhörten. Ich sollte an dieser Stelle erklären, wie diese Yo’otui regierten, wenn man von Regieren sprechen konnte, denn die Lebensart der Yaki war in der gesamten EINEN WELT einzigartig. Jeder der fünf alten Männer war für einen Ya’úra verantwortlich, das heißt einen der fünf Ya’úram, der fünf Wirkungsbereiche in seinem Dorf: Religion, Krieg, Arbeit, Sitten und Tanz. Der Älteste, dem der Bereich Arbeit unterstand, hatte nur die Aufgabe, jede Drückebergerin zu bestrafen. Da aber keine Frau in der Yaki-Gesellschaft es gewagt hätte, sich gegen Arbeit aufzulehnen, hatte er wenig zu tun. Der Älteste, der für Kriegsangelegenheiten zuständig war, mußte nur seinen Segen dazu geben, wenn die Yoem’sontáom seines Dorfes beschlossen, ein anderes Dorf zu überfallen oder wenn sich die Yoem’sontáom aller drei Yaki-Stämme zu einem ihrer beinahe rituellen Raubzüge im Land des Wüstenvolks vereinigten.
    Die anderen drei alten Männer, der Bewahrer der Religion, der Wächter der Sitten und der Meister der Tänze, regierten mehr oder weniger gemeinsam. Von der Religion der Yaki läßt sich zu Recht sagen, daß es keine Religion ist, denn sie verehren nur ihre Ahnen. Jeder, der stirbt, wird ein Ahne. Der Todestag jedes Ahnen ist Anlaß für Zeremonien, mit denen er geehrt wird. Und so vergeht im Land der

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