Der Sohn des Azteken
der Selbstverstümmelung vor. Noch schlimmer fand ich, daß sie weder sich noch ihre Kleidung jemals reinigten. Nach ihrer Ankunft in Aztlan hatten sie grobe Arbeitskleider getragen und sich wie alle anderen am Ende eines harten Arbeitstages gewaschen. Doch nachdem sie von allen Arbeiten befreit waren und ihre Priestergewänder trugen, badeten sie nicht einmal mehr im See oder reinigten sich im Dampfbad. Sehr schnell waren sie so abstoßend schmutzig, daß sie die Luft um sich herum im wahrsten Sinne des Wortes verpesteten. Würde ich mir jemals die Mühe gemacht haben, über die eigenartigen sexuellen Neigungen meines Vetters Yeyac nachzudenken, hätte ich mich nur voll Schaudern darüber wundern können, wie er es über sich brachte, etwas so Abstoßendes wie einen Priester zu umarmen. Doch wie ich gesagt habe, dauerte es lange Zeit, ganze fünf Jahre, bis ich wieder Grund hatte, an Yeyacs Annäherungsversuche zu denken, und auch dann nur flüchtig. Ich war inzwischen zwölf Jahre alt. Meine Stimme begann sich gerade zu verändern und schwankte zwischen Brummen und Piepsen. Ich wartete darauf, bald das Schamtuch des Mannes anlegen zu dürfen. Was ich dann erlebte, war absurderweise eine Wiederholung dessen, was damals geschehen war.
Ich weiß sehr wohl, die Götter haben ihren größten Spaß daran, uns Menschen in scheinbar zufällige Situationen zu bringen. Ich stand mit dem Rücken zur Tür in meinem Zimmer im Palast, als eine Hand verstohlen unter meinen Mantel glitt und zärtlich meine Geschlechtsteile drückte. Wieder machte ich vor Schreck einen Luftsprung.
»Yya ouiya, nicht noch einmal!« schrie ich, als ich in die Luft sprang, wieder auf dem Boden landete und mich umdrehte.
»Noch einmal?« fragte sie überrascht. Es war meine Cousine Améyatl. Falls ich früher nicht erwähnt habe, daß sie schön war, möchte ich das jetzt nachholen. Sie war wirklich bezaubernd. Mit sechzehn hatte sie ein schöneres Gesicht und eine anmutigere Gestalt als alle anderen Mädchen und Frauen von Aztlan. Vermutlich befand sie sich damals auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit.
»Das schickt sich nicht«, schimpfte ich, und es klang dank des Stimmbruchs wie ein Knurren. »Warum machst du so etwas?«
Sie erwiderte in aller Unschuld: »Ich hatte gehofft, dich zu verführen.«
»Verführen?« piepste ich wie ein kleiner Junge. »Wie das?«
»Ich möchte dich auf den Tag vorbereiten, wenn du das Máxtlatl anlegen wirst. Möchtest du nicht schon vor diesem Tag lernen, dich wie ein Mann zu benehmen?«
»Wie benimmt sich ein Mann?« knurrte ich. »Wenn ein Mann und eine Frau allein sind, machen sie etwas zusammen. Ich muß gestehen, ich würde es sehr gerne lernen. Ich dachte, wir könnten es uns gegenseitig beibringen.«
»Aber … wieso mit mir?« piepste ich Sie lächelte kokett. »Weil du es wie ich noch nicht gelernt hast. Was ich eben bei dir gefühlt habe, zeigt mir, daß du erwachsen und fähig dazu bist. Das bin ich auch. Ich ziehe mich aus, dann wirst du es sehen.«
»Ich habe dich ohne Kleider gesehen. Wir haben zusammen gebadet und zusammen im Dampfbad gesessen.« Sie schob meinen Einwand beiseite. »Damals waren wir Kinder. Du hast mich nicht mehr nackt gesehen, seit ich das Untergewand einer erwachsenen Frau trage. Du wirst feststellen, daß ich mich inzwischen verändert habe … hier und hier. Du kannst mich berühren. Ich werde das auch bei dir tun, und danach machen wir einfach das, wozu wir Lust haben.«
Ich und meine Freunde hatten oft über die Unterschiede zwischen dem männlichen und dem weiblichen Körper nachgedacht, ich vermute, christliche Jungen tun das ebenfalls. Wir hatten darüber gesprochen, was Männer und Frauen unserer Meinung nach taten, wenn sie allein waren, und wie sie es taten. Ich meine in welchen Stellungen, wer oben lag, wie lange es dauerte und wie viele Male hintereinander sich das alles wiederholen ließ. Jeder von uns fand erst allein und dann bei unseren Zusammenkünften in einer Art Wettbewerb heraus, daß sich der eigene Tepúli auf Wunsch aufrichtete und daß unsere Olóltin eine Menge männliches Omicetl enthielten.
Wenn wir bei einer der nie enden wollenden Arbeiten zur Umgestaltung der Stadt als Hilfskräfte eingeteilt wurden, hörten wir gespannt zu, wenn die Erwachsenen unanständige Witze machten oder von ihren Abenteuern mit Frauen berichteten, die beim Erzählen mit Sicherheit übertrieben wurden. Was auch immer wir auf diese Weise erfuhren, es blieben ungenaue
Weitere Kostenlose Bücher