Der Sohn des Azteken
ich zum Beispiel im ersten Augenblick verblüfft, als das Mädchen mit dem Mund bei mir das tat, was, wie ich glaubte, nur Cuilóntli miteinander machten, denn das hatte Yeyac damals versucht. Doch mein Tepúli war inzwischen reifer, und das Mädchen erregte mich so geschickt, daß sie mich mit ihrer Zunge erstaunlich befriedigte. Danach zeigte sie mir, wie ich das gleiche bei ihrem Xacapili tun konnte. Ich lernte bei ihr, daß die unauffällige Perle zwar sehr viel kleiner ist als das Tepúli eines Mannes, aber ebenso in den Mund genommen und mit der Zunge befriedigt werden kann. Nachdem ich das wußte, kam mir der Verdacht, daß eine Frau eigentlich keinen Mann braucht – das heißt, sein Tepúli –, da ihr eine andere Frau den gleichen Genuß verschaffen kann. Das Mädchen lachte, stimmte aber zu und erklärte mir, daß die Liebe zwischen Frauen Patlachúia genannt wird. Als ich am nächsten Morgen in den Palast zurückkam, wartete Améyatl bereits ungeduldig. Sie zog mich in eine Ecke, damit wir uns ungestört unterhalten konnten. Sie wußte, wo ich die Nacht verbracht und was ich getan hatte, doch sie war weder eifersüchtig noch traurig. Im Gegenteil! Sie brannte darauf herauszufinden, ob ich ihr neue, lustvolle Dinge beibringen würde. Als ich das grinsend bestätigte, wäre sie mit mir am liebsten auf der Stelle in mein oder in ihr Zimmer verschwunden. Doch ich bat sie, mir Zeit zu lassen, damit ich mich ausruhen, erholen und wieder zu Kräften kommen könne. Améyatl hatte wenig Geduld und Lust zu warten, doch ich versicherte ihr, sie werde die neuen Dinge sehr viel mehr genießen, wenn ich wieder die nötige Kraft hätte, sie ihr richtig beizubringen.
Améyatl geduldete sich, ich löste mein Versprechen ein, und wir beide erfreuten uns in den nächsten fünf Jahren an unseren Körpern, sobald wir einen Augenblick ungestört allein waren. Wir wurden bei unseren Zusammenkünften nie überrascht, und soweit ich weiß, schöpfte niemand den geringsten Verdacht, weder ihr Vater noch ihr Bruder, noch meine Mutter. Ich möchte betonen, wir liebten uns nicht wirklich. Wir waren füreinander einfach wie ein zuverlässiges und stets greifbares Utensil. Wie an meinem dreizehnten Geburtstag, so zeigte sich Améyatl die wenigen Male, wenn ihr aufgefallen sein mußte, daß ich die Reize einer Dienerin oder einer Sklavin genossen hatte, keineswegs verärgert oder empört. Es waren wirklich nur seltene Ausnahmen. Ich küsse die Erde. Und keines der Mädchen ließ sich mit meiner Cousine vergleichen. Ich wäre mir auch nicht betrogen vorgekommen, wenn Améyatl das gleiche getan hätte. Aber ich weiß, sie hat es nie getan. Sie war eine Prinzessin und hätte niemals ihren Ruf wegen eines Mannes gefährdet, dem sie nicht so rückhaltlos vertrauen konnte wie mir.
Es brach mir auch nicht das Herz, als Améyatl mich mit einundzwanzig als Liebhaber aufgeben und heiraten mußte. Wie die meisten Ehen junger Pipiltin wurde auch diese von den Vätern beschlossen, von Mixtzin und Kévari, dem Tlatocapili von Yakóreke, der nächsten Gemeinde südlich von uns. Améyatl wurde in aller Förmlichkeit Káuri, dem etwa gleichaltrigen Sohn Kévaris, versprochen. Mir war klar – und Canaútli, unserem Geschichtserinnerer, natürlich ebenfalls –, daß mein Onkel mit dieser Ehe unser und Yakorekes Volk miteinander verband und auf diese Weise klug seinem Ziel einen Schritt näher kam, Aztlan wieder zur Hauptstadt aller umliegenden Gebiete und ihrer Völkerschaften zu machen, so wie es vor langer Zeit einmal gewesen war.
Ich wußte nicht, ob sich Améyatl und Káuri vor der Hochzeit richtig kennen-, um nicht zu sagen lieben lernten, aber sie hätten sich den Wünschen ihrer Väter so oder so beugen müssen. Außerdem war Káuri in mei nen Augen ein recht gutaussehender und annehmbarer Mann für meine Cousine. Deshalb war das einzige Ge fühl, das mich am Tag der Zeremonie bewegte, eine ge wisse Sorge. Doch nachdem der Priester der Xochi quétzal die Zipfel ihrer Umhänge zum Hochzeitsknoten verbunden hatte, die traditionellen Festlichkeiten vor über waren und sich das Paar in die eigens zu diesem An laß geschmückten Räume im Palast zurückzog, hörte keiner der Hochzeitsgäste von dort einen empörten Auf schrei. Ich vermutete erleichtert, daß das verengende Mittel und das eingeführte Taubenei, das Améyatls Rat geberinnen ihr vor vielen Jahren empfohlen hatten, genügten, um Káuri davon zu überzeugen, eine Jungfrau geheiratet zu
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