Der Sohn des Azteken
niemals heiraten und dir Enkelkinder schenken, dich im Alter nicht unterstützen. Du bist noch jung und hübsch, du bist geschickt in deiner Arbeit, und du hast ein freundliches Wesen. Aber es ist unwahrscheinlich, daß du wieder einen Mann findest, wenn eine so schwere Last an dir hängt. Außerdem …«
»Bitte, Tenamáxtli, hör auf«, sagte sie traurig. »Im Schlaf habe ich mich in meinen Träumen all diesen Hindernissen gestellt, einem nach dem anderen. Du hast recht. Sie scheinen unüberwindbar. Trotzdem, die kleine Ehécatl ist das einzige, was mir von Netzlin und unserem gemeinsamen Leben geblieben ist. Und das wenige will ich behalten.«
»Also gut«, sagte ich. »Wenn du hartnäckig auf dieser Dummheit beharrst, dann bestehe ich darauf, dir dabei behilflich zu sein. Du brauchst angesichts all dieser Hindernisse einen Freund und Verbündeten.« Sie sah mich ungläubig an. »Du würdest dich mit uns beiden belasten?«
»Solange ich kann, Citláli. Ich spreche allerdings nicht von einer Ehe oder von Dauer. Ich rechne damit, daß eine Zeit kommen wird, in der ich andere Dinge tun muß.«
»Der Plan, von dem du gesprochen hast. Du willst die Weißen aus der EINEN WELT vertreiben.«
»Ja. Aber ich hatte bereits beschlossen, aus der Herberge auszuziehen und mir eine andere Unterkunft zu suchen. Wenn es dir recht ist, werde ich hier bei dir wohnen und meine Ersparnisse in den Haushalt einbringen. Ich glaube, ich brauche keinen Unterricht mehr. Ich werde weiterhin beim Notarius in der Kathedrale arbeiten, um den Lohn nicht zu verlieren. In meiner freien Zeit werde ich Netzlins Stand auf dem Markt übernehmen. Ich sehe, es gibt einen Vorrat an Körben, die zu verkaufen sind, und wenn du wieder bei Kräften bist, kannst du neue flechten. Es wird nicht notwendig sein, daß du Ehécatl jemals allein läßt. Abends kannst du mir bei meinen Versuchen helfen, Pulver herzustellen.«
»Das ist mehr, als ich hoffen durfte, und es ist sehr freundlich von dir, mir das anzubieten, Tenamáxtli.« Aber sie schien sich noch immer Sorgen zu machen. »Seit wir uns kennen, bist du immer freundlich zu mir gewesen, Citláli. Bei der Angelegenheit mit dem Pulver warst du mir bereits eine große Hilfe. Hast du irgendwelche Einwände gegen mein Angebot?«
»Nur den einen, daß auch ich nicht beabsichtige, zu heiraten oder die Frau eines Mannes zu sein, selbst wenn das der Preis für das Überleben wäre.« Ich erwiderte etwas verletzt: »Ich habe nichts dergleichen vorgeschlagen. Ich hatte auch nicht erwartet, daß du das vermuten würdest.«
»Verzeih mir, lieber Freund.« Sie ergriff meine Hand und hielt sie fest. »Ich bin sicher, du und ich, wir könnten leicht … und ich kenne die zerstoßene Wurzel, die verhütet, daß … Aber es wirkt nicht immer … Ayya, Tenamáxtli, ich versuche zu sagen, es könnte sehr gut sein, daß ich mich eines Tages nach dir sehne. Aber ich will nicht Gefahr laufen, noch einmal ein mißgestaltetes Kind wie …«
»Ich verstehe, Citláli. Ich verspreche dir, wir werden so keusch zusammenleben wie Bruder und Schwester, wie ein Junggeselle und eine Jungfrau.« Daran änderte sich auch lange nichts. In dieser Zeit ereigneten sich viele Dinge, von denen ich in der richtigen Reihenfolge berichten will.
Am ersten Tag holte ich meine Habe und den überschwappenden Axixcáli-Topf aus der Mesón de San José und kehrte nie mehr dorthin zurück. Ich nahm auch den Goldschmiedemeister Pochotl mit, begleitete ihn zur Kathedrale, stellte ihn dem Notarius Alonso vor und empfahl ihn als den Mann, der am besten befähigt sei, das gewünschte sakrale Gerät anzufertigen. Bevor Alonso ihn zu den Klerikern brachte, die ihn anweisen und beaufsichtigen würden, erklärte ich Pochotl, wo ich von nun an wohnen würde, und fügte leise hinzu: »Natürlich werde ich dich hier in der Kathedrale sehen, und ich bin sehr am Fortschritt dieser Arbeit hier interessiert. Aber ich vertraue darauf, daß du mich in meiner neuen Unterkunft über die Fortschritte bei der anderen Arbeit auf dem laufenden halten wirst.«
»Das werde ich bestimmt tun. Wenn hier alles gut geht, bin ich dir zu unendlichem Dank verpflichtet, Cuati Tenamáxtli.«
Ich begann noch an diesem Abend mit meinen Versuchen, das Pulver herzustellen. Trotz all des Herumtragens waren die kleinen weißlichen Kristalle nicht aufgelöst oder durcheinandergebracht worden, die sich inzwischen, wie Citláli vorausgesagt hatte, am Boden des Axixcáli befanden. Ich trennte
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