Der Sohn des Azteken
mußte.
Ich glaube, Alonso beschäftigte mich lange über die Zeit hinaus, die ich für ihn von Nutzen war. Er fand noch unbedeutendere, ja sogar langweilige und nutzlose Bücher mit Wortbildern, bei deren Übersetzung ich ihm half, weil er wußte, daß ich meinen Lohn zum größten Teil für den Unterhalt des kleinen Haushalts verwendete. Wann immer ich etwas Zeit hatte, besuchte ich die Werkstatt, die man Pochotl zugewiesen hatte. Die geistlichen Auftraggeber stellten sein Können zunächst auf die Probe. Sie gaben ihm einen kleinen Klumpen Gold, um zu sehen, was er damit machen würde. Ich weiß nicht mehr, was er daraus schuf, doch die Priester waren begeistert. Danach erhielt er immer größere Mengen Gold und Silber mit genauen Anweisungen, was er anzufertigen habe – Kerzenleuchter, Weihrauchfässer und verschiedene Gefäße. Die Gestaltung der Dinge überließen sie ihm. Das Ergebnis fand jedesmal ihre größte Anerkennung.
Pochotl war inzwischen Herr über eine Schmelze, wo alle benutzten Metalle geschmolzen und gefeint wurden. Er hatte eine Schmiede, wo die unedleren Metalle wie Eisen, Stahl und Kupfer in Form gehämmert wurden, einen Raum mit Stampftrögen und Tiegeln, wo die Edelmetalle verflüssigt wurden, und einen Raum voller Werkbänke mit besonderem feinen Werkzeug. Natürlich standen ihm viele Gehilfen zur Seite, von denen manche in Tenochtitlan ebenfalls Goldschmiede gewesen waren. Doch die meisten seiner Helfer waren Sklaven, im allgemeinen Moros, weil sie gegen die größte Hitze unempfindlich sind. Sie verrichteten die schweren Arbeiten, die kein großes Können verlangten.
Pochotl war natürlich so glücklich, als sei er zu Lebzeiten in die selige Nachwelt Tonatiucans versetzt worden. »Hast du gesehen, daß ich wieder beneidenswert dick werde, nachdem man mich gut bezahlt und ernährt?« fragte er und zeigte mir voll Stolz jedes einzelne seiner neuen Werke. Wenn ich ihn dann ebenso lobte wie die Priester, freute er sich. Doch in der Kathedrale unterhielten wir uns nie über die andere Arbeit. Von diesem Vorhaben sprachen wir nur, wenn er zum Haus kam, um Fragen zu den Teilen der Arkebuse zu stellen, die ich für ihn aufgezeichnet hatte. »Soll sich dieses Teil so bewegen oder so?« Später brachte er einzelne Stücke mit, damit ich sie begutachtete und mich dazu äußerte. »Es ist gut«, sagte er, »daß du zur gleichen Zeit für meine Anstellung in der Kathedrale gesorgt hast, als du die Waffe von mir gefertigt haben wolltest. Es wäre bereits unmöglich gewesen, das lange Rohr ohne die Werkzeuge herzustellen, die ich jetzt habe. Heute war ich gerade dabei, den dünnen Metallstreifen mühsam zu der Spirale zu biegen, die du eine Feder nennst, als mich ein gewisser Pater Diego unterbrach. Er erschreckte mich, als er mich auf náhuatl ansprach.«
»Ich kenne ihn«, sagte ich. »Er hat dich also auf frischer Tat ertappt, denn er wird eine Spirale kaum für eine Art Kirchenschmuck halten. Hat er mit dir geschimpft, weil du deine Arbeit vernachlässigst?«
»Nein. Aber er hat gefragt, womit ich mich da abmühe. Ich behauptete, eine Idee für eine Erfindung zu haben und zu versuchen, sie in die Tat umzusetzen.«
»Eine Erfindung?«
»Das hat Pater Diego auch gesagt und spöttisch gelacht. Er hat gesagt, ›das ist keine Erfindung, Meister. Es ist eine Vorrichtung, die die zivilisierte Menschheit seit uralten Zeiten kennt.‹ Und dann, Tenamáxtli, kannst du dir vorstellen, was er dann getan hat?«
»Er hat die Feder als Teil einer Arkebuse erkannt«, stöhnte ich. »Unser Plan ist aufgedeckt, und alles ist verloren.«
»Nein, nein, überhaupt nicht. Er ist verschwunden und nach einer Weile mit einer ganzen Handvoll der verschiedensten Federn zurückgekommen. Hier ist die Spirale, die ich brauche, damit sich das gezahnte Rad dreht.« Er zeigte mir die Feder. »Ich habe auch die flache Art, die sich vorwärts und rückwärts bewegt, und die notwendig ist, um die Katzenpfote, wie du es nennst, herunterschnappen zu lassen.« Er zeigte sie mir triumphierend. »Kurz gesagt, ich weiß jetzt, wie man solche Dinge anfertigt, brauche es aber nicht selbst zu tun. Der gute Priester hat sie mir alle geschenkt.«
Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Wunderbar!« rief ich. »Wenigstens einmal waren die Götter gnädig, die den Zufall so sehr lieben. Ich muß sagen, Pochotl, du hast mehr Erfolg als ich.«
Ich berichtete ihm von meinen entmutigenden Versuchen mit dem Pulver. Er sagte nach
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