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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Weile ausleihen und mit dem Inhalt Versuche anstellen?« Sie wurde flammend rot, aber dann lachte sie unbekümmert. »Mach damit, was du willst! Nur bring den Topf bitte wieder zurück. Jetzt, wo das Kind jederzeit kommen kann, brauche ich ihn immer häufiger.« Ich mußte den Tontopf mit beiden Händen zurück zur Herberge tragen. Er war zugedeckt, aber die Flüssigkeit schwappte hörbar. Unterwegs sahen mich die Leute merkwürdig an, denn jeder weiß, wie ein Axixcáli aussieht.
    Ich hatte wie Pochotl die ganze Zeit über in der Mesón gelebt oder zumindest dort geschlafen und gegessen, während viele andere Gäste gekommen und wieder gegangen waren. Weil ich mich meiner Abhängigkeit von den Mönchen schämte, hatte ich Pochotl oft beim Saubermachen geholfen oder mich bereit erklärt, das Feuer zu schüren, die Suppe umzurühren und auszuteilen. Ich hätte auf den Gedanken kommen können, die Mönche wären so gütig zu mir, weil ich das Kollegium nebenan besuchte. Doch sie ließen auch Pochotl in der Herberge wohnen. Ich erhielt demnach keine Vorzugsbehandlung. Meiner Meinung nach übertrieben sie ihre barmherzige Wohltätigkeit. Obwohl ich zu den Hauptnutznießern gehörte, wagte ich an jenem Tag, als ich von Netzlin und Citláli zurückkam, einen der Mönche, der die Suppe austeilte, danach zu fragen.
    Zu meiner Überraschung lachte er verächtlich. »Du glaubst, wir tun das aus Liebe zu euch faulen Herumtreibern?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Wir tun es im Namen Gottes zum Wohl unserer Seelen. Mein Orden befiehlt, daß wir uns erniedrigen und unter den Geringsten der Geringen und inmitten der Verderbtesten der Verderbten wirken. Ich bin nur deshalb hier in der Mesón, weil sich schon so viele Brüder für das Lepraheim gemeldet hatten, daß kein Platz mehr für mich war. Ich muß mich damit abfinden, euch Faulpelze zu bedienen. Dadurch sammle ich mir Verdienste im Himmel. Aber soviel kann ich dir verraten, ich muß mich nicht mit euch abgeben. Also geh zurück zu den anderen faulen Indios.« Eine seltsame Art Wohltätigkeit, dachte ich. Ich fragte mich, ob die Nonnen von Santa Brígida die Waisen in ihrer Obhut ebenfalls verachteten. Wenn sie die elternlosen Kinder aufnahmen, handelten sie vorgeblich im Namen ihres Gottes, in Wirklichkeit taten sie jedoch möglicherweise alles in Erwartung einer Belohnung im Leben nach dem Tod. Ich überlegte, ob auch Alonso de Molina aus ähnlichen Gründen freundlich und hilfsbereit zu mir gewesen war. Solche Gedanken bestärkten mich in meinem Entschluß, mich auf keinen Fall zu einer so menschenverachtenden Religion zu bekehren. Es war schlimm genug, daß mein Tonáli meine Geburt in der EINEN WELT gerade in die Zeit verlegt hatte, in der ich mein Leben mit diesen Christen teilen mußte. Ich hatte nicht die geringste Absicht, mein Leben nach dem Tod unter ihnen zu verbringen.
    Ich fühlte mich nicht mehr schuldig. Ich schämte mich vielmehr, die widerwillig gewährte Wohltätigkeit der Mönche in Anspruch genommen zu haben, und beschloß, aus ihrer Herberge auszuziehen. Die Ältesten der Kathedrale zahlten mir für die Arbeit mit dem Notarius Alonso nur einen Hungerlohn, abgesehen von dem, was ich bekommen hatte, um meine drei spanischen Kleidungsstücke zu kaufen. Trotzdem hatte ich von dem Geld nur hin und wieder etwas für ein Mittagessen ausgegeben. Deshalb reichten meine Ersparnisse aus, um in einem der Gasthäuser in den Vierteln der Einheimischen unterzukommen. Ich legte mich mit dem Entschluß auf mein Lager, daß dies die letzte Nacht sein sollte, die ich hier verbringen würde. Am Morgen wollte ich meine wenigen Sachen zusammenpacken, zu denen jetzt auch Citlális Axixcáli gehörte, und verschwinden. Doch kaum hatte ich diese Entscheidung getroffen, stellte sich heraus, daß sie bereits für mich getroffen worden war. Wieder einmal hatten die mutwilligen Götter, die mir schon so lange auf den Fersen waren und sich immer wieder in mein Leben einmischten, auf ihre Weise eingegriffen.
    Mitten in der Nacht weckte mich der alte Wächter, in dessen Obhut die Mönche das Gebäude gaben, wenn sie abends gingen. Er rief so laut, daß alle anderen Männer im Schlafraum ebenfalls aufwachten.
    »Señor Tennamotch!? Hay aquí un señor bajo el nombre de Tennamotch?«
    Ich wußte, er meinte mich. Mein Name war wie so viele Náhuatl-Worte für die Spanier ein wahrer Zungenbrecher, besonders deshalb, weil sie den weichen ›sh‹-Laut nicht aussprechen konnten, der durch

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