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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Stücke sind sehr viel feiner und einfallsreicher als die ihrer eigenen ungeschickten Goldschmiede. Deshalb bringen sie mir ihr Gold, ihr Silber und ihre Edelsteine. Sie nennen mir ihre Wünsche – eine Halskette, einen Fingerring, einen Schwertknauf – und überlassen mir die Gestaltung. Bis jetzt war jeder mit dem Ergebnis sehr zufrieden und hat mich gut bezahlt. Keiner meiner Kunden hat je Anstoß daran genommen, wenn ich das Metall, das übrigbleibt, für mich behalten habe.«
    »Das freut mich für dich«, sagte ich. »Ich hoffe nur, du hast auch Zeit für …«
    »Ayyo, ja! Die Arkebuse ist beinahe fertig. Ich habe alle Metallteile und muß sie nur noch in den Holzschaft einpassen. Es mag merkwürdig klingen, aber daß ich aus der Kathedrale entlassen worden bin, ist mir dabei sehr zustatten gekommen. Man hat mir befohlen, die Werkstätten zu räumen und zu säubern. Wachen mußten sicherstellen, daß ich keine von den Kostbarkeiten an mich nehme, die man mir anvertraut hatte. Ich habe die Gelegenheit, die Waffen der Soldaten aus nächster Nähe zu sehen, genutzt, um mir in allen Einzelheiten einzuprägen, wie diese Arkebusen zusammengebaut sind.« Er runzelte die Stirn. »Aber wie ergeht es dir beim Herstellen des Schießpulvers?«
    Ich war immer noch mit den scheinbar nie enden wollenden Versuchen beschäftigt, hinter die richtige Zusammensetzung des Pulvers zu kommen, aber ich werde nicht von den Enttäuschungen und Mühen berichten, die mich beinahe zur Verzweiflung brachten. Es genügt zu sagen, daß ich schließlich Erfolg hatte – mit einer Mischung aus zwei Dritteln Salpeter und einem Drittel Holzkohle und Schwefel zu gleichen Teilen. Als ich eines Nachmittags mit Hilfe meiner neuen Linse das gebündelte Sonnenlicht auf das graue Pulverhäufchen lenkte, um es zu entzünden – es sollte sich als der letzte und entscheidende Versuch erweisen –, waren in der Gasse vor unserem Haus keine Kinder aus der Nachbarschaft zu sehen. Das stets gleichbleibende schwache Zischen und Fauchen hatte sie noch mehr gelangweilt als mich. Diesmal jedoch sprühte das Pulver Funken, und ein richtiges blaues, scharf riechendes Rauchwölkchen stieg auf. Aber das Wichtigste war, ich hörte dabei dieses besondere Geräusch, ein gedämpftes, gefährliches Knurren, das ich gehört hatte, als der junge Soldat mir erlaubte, den Abzug zu drücken und seine Arkebuse abzufeuern. Endlich wußte ich, wie man Schießpulver herstellt. Und ich konnte größere Mengen davon machen. Nachdem ich einen kurzen Freudentanz aufgeführt, dem Kriegsgott Huitzilopóchtli und meinem verehrten toten Vater Mixtli stumm von Herzen gedankt hatte, eilte ich zu Pochotl, um den Sieg zu verkünden. »Yyo, ayyo, ich habe große Ehrfurcht vor dir!« rief er. »Wie du sehen kannst, bin ich ebenfalls beinahe fertig.« Er wies auf seine Werkbank. Dort lagen die Metallteile, die ich bereits in Augenschein genommen hatte. Jetzt zeigte er mir auch den Holzschaft, dem er gerade die richtige Form gab. »Ich schlage vor, während ich meine Arbeit beende, unternimmst du den Versuch, zu dem ich dir schon einmal geraten habe. Du füllst das Pulver in ein kleines, festes Gehäuse und entzündest es dann.«
    »Das habe ich bereits geplant«, erwiderte ich. »Und du, Pochotl, du machst mir ein paar runde Bleikugeln zum Schießen. Sie sollten groß genug sein, um sie in das Rohr der Arkebuse hineinzuschieben. Aber sie müssen mühelos hineinpassen.«
    Ich lief zum Markt, ließ mir von einem Töpfer einen Klumpen gewöhnlichen Ton geben und trug ihn nach Hause. Citláli sah stolz zu, wie ich eine kleine Menge Pulver in die Mitte schüttete und den Ton zu einem Ball von der Größe einer Nopali-Frucht zusammendrückte. Dann stach ich mit einem Federkiel ein winziges Loch hinein und legte die Tonkugel zum Trocknen neben die Feuerstelle. Am nächsten Tag war sie so hart wie ein Topf. Ich ging damit hinaus auf die Gasse.
    Die Tonkugel war für die Kinder etwas Neues, und sie drängten sich neugierig um mich. Sie fanden es auch sehr aufregend, daß ich das Brennglas benutzen wollte. Doch ich sorgte dafür, daß sie einen gebührenden Abstand wahrten, und hob schützend den Arm vor mein Gesicht, bevor ich den Hitzepunkt des Kristalls auf die kleine Öffnung richtete. Ich war froh über meine Vorsichtsmaßnahmen, denn im nächsten Augenblick verschwand der Ball mit einem Blitz, der mich sogar im hellen Tageslicht blendete. Eine beißende blaue Rauchwolke stieg auf. Die Explosion

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