Der Sohn des Azteken
entdeckten. Da ich bereits wußte, daß mein Pulver zufriedenstellend arbeitete und eine beachtliche zerstörerische Wirkung hatte, wenn es fest zusammengepreßt war, versuchte ich jetzt, einen mit Pulver gefüllten, großen oder kleinen Ball aus der Ferne zu zünden. Ich brauchte etwas Zuverlässigeres als die Pulverspur. Ich habe erwähnt, auf welche Weise wir im allgemeinen unseren Picietl rauchen: Er wird in ein sogenanntes Poquietl gerollt, das heißt in ein Röhrchen aus Schilf oder Papier, das zusammen mit dem Kraut verbrennt. Im Gegensatz dazu rauchen die Spanier den Picietl in nicht brennbaren Tonpfeifen.
Gelegentlich mischten wir den Picietl wie die Weißen mit anderen Zutaten, etwa mit Kakaopulver, bestimmten Samenkörnern, getrockneten Blüten, um den Geschmack oder den Duft zu verändern. Ich rollte eine Reihe sehr dünner Papier-Poquieltin, die das Kraut mit unterschiedlichen Mengen Pulver enthielten. Ein normales Poquietl brennt langsam, wenn der Raucher daran zieht. Es verglüht jedoch, wenn es eine Weile beiseite gelegt wird. Ich hoffte, der Pulverzusatz werde ein solches Röhrchen am Ausgehen hindern und es werde langsam weiterbrennen.
Ich hatte recht. Bei meinen Versuchen mit den kleinen Papier-Poquieltin in unterschiedlicher Stärke und Länge, gefüllt mit Picietl und Pulver in einem jeweils anderen Mischungsverhältnis fand ich schließlich die richtige Zusammensetzung. Wurde ein solches Poquietl in die kleine Öffnung eines meiner Tonbälle gesteckt, dauerte es einige Zeit – kürzer oder länger –, bis die kleine Flamme die Öffnung erreichte und der Ball mit einem Donnerschlag barst. Es war mir nicht möglich, diesen Ablauf zeitlich genau zu bestimmen oder zum Beispiel eine Reihe Bälle gleichzeitig zu zünden. Aber ich konnte ein Poquietl machen und auf eine Länge zuschneiden, die mir genug Zeit lassen würde, mich weit genug vom Ort des Geschehens zu entfernen, bevor die Glut das Zündloch erreichte. Und ich konnte mich darauf verlassen, daß kein zufälliger Windhauch oder die Sandalen eines Vorübergehenden das Flämmchen löschten, wie es bei einer Pulverspur leicht möglich war. Um meine Überlegungen zu überprüfen, mußte ich als nächstes etwas so Gewagtes, Gefährliches und ausgesprochen Verbotenes tun, daß ich nicht einmal Citláli in das Vorhaben einweihte.
Ich stellte einen faustgroßen, mit Pulver gefüllten Tonball her und schob in die Zündöffnung ein langes Poquíetl. Am nächsten sonnigen Tag legte ich ihn in den Beutel an meiner Hüfte und ging zu einem Gebäude in der Traza, von dem ich schon seit langem wußte, daß es sich um eine Kaserne mit Spaniern der unteren Ränge handelte. Wie immer stand am Tor ein bewaffneter Wachposten in Rüstung. Mit einem Gesicht, wie ich es dümmer und harmloser nicht aufsetzen konnte, schlenderte ich an ihm vorbei bis zur Ecke des Gebäudes. Dort blieb ich stehen, kniete mich auf den Boden und tat so, als entferne ich einen Stein aus meiner Sandale. Es gelang mir dabei, schnell und geräuschlos das herausragende Ende des Poquietl zu entzünden und den harten Ball zwischen den Eckstein und das Straßenpflaster zu drücken. Ich warf einen verstohlenen Blick auf den Wachposten. Er beachtete mich ebensowenig wie die anderen Vorübergehenden. Also stand ich langsam auf und schlenderte weiter. Ich war bereits mehr als hundert Schritte entfernt, als der Knall der Detonation an mein Ohr drang. Selbst aus dieser Entfernung hörte ich das Pfeifen und Zischen fliegender Splitter. Einer traf mich sogar am Rücken. Ich drehte mich um und sah zufrieden, welche Aufregung ich verursacht hatte. An dem Gebäude war außer einem schwarzen, rauchenden Fleck kein erkennbarer Schaden entstanden. Doch auf dem Pflaster davor sah ich zwei blutende Menschen auf dem Rücken liegen – ein spanisch gekleideter Mann und ein Tamémi, sein Traggestell neben ihm. Aus der Kaserne liefen außer dem Wachposten zahlreiche andere Soldaten herbei. Manche waren nur halb bekleidet, aber alle trugen sie Waffen. Vier oder fünf der Indios auf der Straße begannen in panischer Angst davonzurennen. Die Soldaten stürmten hinter ihnen her. Ich ging neugierig zurück und mischte mich unschuldig unter die zahlreichen anderen Menschen, die herumstanden und gafften.
Der Spanier auf dem Pflaster lebte noch und krümmte sich stöhnend. Ein Soldat brachte den Médico der Kaserne zu ihm. Der harmlose Tamémi dagegen war tot. Das tat mir leid, doch ich war sicher, die Götter
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