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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Festung mit Palisaden errichtet hatten, ein Castillo, wie sie es nannten. Dort bildete das Heer Rekruten aus, und so befanden sich in der Festung immer viele Soldaten.
    Selbst ein blutiger Anfänger wußte natürlich, daß es sich um eine Schießpulver-Explosion handelte. Da der Lärm von einem üblicherweise menschenleeren Gelände kam, rannten die Spanier herbei, um herauszufinden, wo und wie es dazu gekommen und wer dafür verantwortlich war. Ich wollte für die Soldaten keine Hinweise zurücklassen. Mir blieb nicht genug Zeit, um die Brandspuren zu verwischen, doch ich nahm das Kaninchen mit, als ich mich eilig auf den Rückweg zum Ufer machte. An diesem Abend erschien Pochotl mit einem geölten Mantel unter dem Arm und einem so zufriedenen Grinsen, daß ich ihn beinahe nicht wiedererkannt hätte. Mit der übertriebenen Verschwörermiene eines Gauklers legte er das Bündel auf den Boden und packte es ganz langsam aus, während Citláli und ich ihn erwartungsvoll dabei beobachteten.
    Da lag sie endlich, die nachgebaute Arkebuse. Sie sah sehr echt aus.
    »Ouiyo ayyo«, murmelte ich sehr zufrieden und voll Bewunderung für Pochotls Kunstfertigkeit. Citláli blickte lächelnd von einem zum anderen und freute sich für uns beide.
    Pochotl gab mir den Schlüssel zum Spannen der inneren Feder. Ich steckte ihn an seinen Platz, drehte den Schlüssel und hörte wie schon einmal zuvor das schnarrende Geräusch. Dann schob ich mit dem Daumen die Katzenpfote mit dem Splitter Falschgold zurück. Sie klickte und blieb in dieser Stellung. Danach drückte ich mit dem Zeigefinger den Abzug. Die Katzenpfote schnappte nach unten, das falsche Gold traf das gezahnte Rad, das von der gespannten Feder bewegt wurde, und die dadurch entstehenden Funken verteilten sich, so wie es sein sollte, auf der Pulverpfanne.
    »Wir werden natürlich erst sehen«, sagte Pochotl, »was geschieht, wenn du sie mit Pulver und mit einer von diesen Kugeln geladen hast.« Er reichte mir einen Beutel voll schwerer Bleikugeln. »Aber ich rate dir, Tenamáxtli, geh für deine Versuche weit weg. Die Gerüchte in der Stadt überschlagen sich bereits. Die Soldaten der Garnison auf dem Chapultépec haben heute eine unerklärliche Explosion gehört.« Er zwinkerte mir zu. »Die Weißen fürchten zu Recht, daß außer ihnen noch jemand Pulver besitzt. Die Wachen auf den Straßen halten alle Indios mit Töpfen, Körben oder anderen verdächtigen Behältnissen an und durchsuchen sie.«
    »Das habe ich nicht anders erwartet.« Ich nickte zustimmend. »Ich werde in Zukunft vorsichtiger sein.«
    »Noch etwas«, sagte Pochotl. »Ich halte deine Idee von einem Aufstand immer noch für verrückt. Überleg doch einmal, Tenamáxtli. Du weißt, wie lange ich für diese eine Arkebuse gebraucht habe. Ich bin sicher, sie wird funktionieren. Aber glaubst du im Ernst, daß ich oder ein anderer die vielen tausend herstellen könnte, die du brauchen würdest, um so gut bewaffnet zu sein wie die Weißen?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Denn es muß keine einzige mehr gebaut werden. Wenn deine Arkebuse wie erwartet funktioniert, werde ich sie benutzen, um – nun ja – von irgendeinem spanischen Soldaten eine zweite zu bekommen. Dann beschaffe ich mir mit den beiden zwei weitere und so fort.«
    Pochotl und Citláli starrten mich an, und ich wußte nicht, ob sie vor Entsetzen oder vor Bewunderung sprachlos waren.
    »Aber jetzt«, rief ich glücklich, »wollen wir das vielversprechende Ereignis feiern!«
    Ich kaufte einen Krug vom besten Octli, und wir tranken zur Feier des Tages. Selbst die kleine Ehécatl bekam etwas davon ab. Wir Erwachsenen wurden so betrunken, daß sich Pochotl um Mitternacht lieber im Vorderzimmer schlafen legte, als die Begegnung mit der Wache zu riskieren. Citláli und ich schwankten kichernd zu unserem Lager im anderen Zimmer, wo wir noch leidenschaftlicher feierten.
    Für meine nächsten Versuche stellte ich Tonbälle in der Größe von Wachteleiern her, die jeweils eine daumennagelgroße Menge Pulver enthielten. Sie barsten alle mit einem Knall, der nicht lauter war als etwa das Geräusch der Kapsel einer Rizinuspflanze, wenn sie ihre Samen durch die Luft schleudert. Deshalb verloren die Kinder bald das Interesse. Doch ich verschaffte ihnen eine andere Unterhaltung, die ihnen wieder Spaß machte. Ich bat sie, meine Späher zu sein, durch die umliegenden Straßen zu streifen und sofort zurückzukommen und mich zu warnen, falls sie irgendwo spanische Soldaten

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