Der Sohn des Bannsängers
Komm zurück, bevor du nur noch Fischmehl bist!«
»Mann, soll sich der blöde Trottel doch opfern, wenn ihm danach is.« Squill schniefte verächtlich. »Vielleicht kriegt der Mistkerl mit dem Pferdegebiß ja dann wenigstens Bauchschmerzen.«
Das Faultier blickte sich über die Schulter um. »Ich beabsichtige nicht, mich zu opfern, und ich bin fast verrückt vor Angst. Aber wenn man so weit gereist ist wie ich und soviel gesehen hat, dann schnappt man alle möglichen seltsamen Informationen auf. Als ich unseren Gegner nun so betrachtet habe, kam es mir so vor, als sähe ich etwas Bestimmtes.«
»Genau«, pflichtete Neena ihm bei. »Den wartenden Tod.«
»Etwas anderes.« Als Gugelund weiterging, beendete der Säbelzahntiger sein Klagelied und senkte den Kopf.
»Ein Freiwilliger für den ersten Gang. So was kommt nicht häufig vor.«
Gugelund blieb knapp außerhalb der Reichweite der Tatzen stehen. »Ich bitte um Verzeihung, Vater-aller-Fangzähne, aber ehe Ihr mich verzehrt, dürfte ich da einen näheren Blick auf etwas werfen? Ein letzter Gefallen, wenn Ihr so wollt.«
Der Säbelzahntiger machte ein langes Gesicht, was ihm bei seiner bereits fliehenden Stirn das Aussehen eines pikierten Henkers gab. »Einen Blick, worauf? Ich habe euch doch schon gesagt, daß ihr das Große Wahre nicht sehen könnt. Ich bewache es.«
»Das meine ich nicht, sondern etwas Persönlicheres. Als Ihr den Kopf zurückgelegt und gesungen habt, war mir so, als hätte ich etwas bemerkt.«
Der riesige Fleischfresser beäugte argwöhnisch das Faultier. Mit einem einzigen Prankenhieb hätte er dem Händler mühelos die Kehle herausreißen können. Daher bestand kein Anlaß zur Eile.
»Was willst du eigentlich sehen?«
Gugelund hob beide Arme über den Kopf. »Ich bin unbewaffnet.«
Der Wächter betrachtete nachdenklich die dargebotenen Gliedmaßen. »Das wirst du bald sein.«
»Ich meine, ich habe keine Waffen dabei.« Der Händler mit der sanften Stimme wollte keinen Rückzieher machen. »Die anderen sind auf mein Drängen hier.«
»Ich danke dir im voraus dafür, mir ein so reichhaltiges und mannigfaltiges Mahl verschafft zu haben.« Ohne besondere Eile hob der Säbelzahntiger eine Tatze und untersuchte die Krallen.
»Nachdem ich bei der Verfolgung eines Traums schon so weit gekommen bin, kann ich nicht einfach kehrt machen und weg laufen. Ich kann ohne Antwort nicht wieder hinunter steigen. Versteht Ihr das?«
»Ich verstehe, daß du kitzeln wirst, wenn ich dich hinunter schlucke. Könntest du dich vorher vielleicht rasieren?« In den tiefen Höhlen glitzerten funkelnde grüne Augen.
»Alles, was ich mir wünsche«, sagte das Faultier und senkte erschöpft die Arme, »ist, einen Blick in deinen Mund zu werfen.«
Die Augenwülste des Wächters hoben sich. »Den bekommst du noch früh genug zu sehen.«
»Du verstehst mich nicht. Mich interessiert nur ein bestimmter kleiner Teil davon.« Er hatte sich indessen weiter vorbewegt, und Buncan wurde klar, daß sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen würden, den Händler zu retten, ganz gleich wie wirkungsvoll der Banngesang sein mochte, den er und die Otter anstimmen würden.
»Eine seltsame letzte Bitte. Ausreichend seltsam, um gewährt zu werden.« Der Säbelzahntiger riß sein gewaltiges Maul auf.
»Tu, was du nicht lassen kannst. Ich sage dir Bescheid, bevor ich zubeiße.«
»Ich danke Euch.« Gugelund streckte den Kopf vor, legte ihn schief und besah sich den oberen Gaumen des Tigers. Buncan und die anderen hielten den Atem an. »Ah, da. Genau da.« Er verzog mitfühlend das Gesicht. »Das muß furchtbar weh tun. Kein Wunder, daß Ihr so schlechte Laune habt.« Er zog den Kopf wieder zurück.
Anstatt mit weitoffenem Maul vorzuspringen und den tödlichen Biß anzubringen, beäugte der Säbelzahntiger unsicher das gedrungene Faultier. »Was weißt du denn davon?«
»Das sehe ich doch. Der Eckzahn oben links. Das geht bis an die Wurzel. Wie lange macht Euch der Zahn schon zu schaffen?«
»Wie kommst du darauf, daß er mir zu schaffen macht?« Der Wächter knurrte erwartungsvoll.
Gugelund sprach rascher weiter. »Wie ich schon sagte, wenn man reist, erwirbt man alle möglichen Kenntnisse. Er macht Euch zu schaffen, nicht wahr? Verursacht er Euch keine stechenden, pochenden Schmerzen?«
»Sprich nicht davon! Du...« Auf einmal zuckte der Wächter zusammen. »Ja, es tut weh. Der Schmerz ist wie flüssiges Feuer in meinem Kopf.«
»Seit wann?«
»Es fing an, kurz nachdem
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