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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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hatten sich in der Kasse des Gemütskurhauses Ronkaila bereits 160.000 Finnmark angesammelt. Das Unternehmen stand ökonomisch also auf einer soliden Basis. Die geistige Grundlage war ohnehin von Anfang an die bestmögliche. Rutja wurde im Verabreichen von Blitzschocks so routiniert, daß selbst die schwersten Fälle nach wenigen Minuten Behandlung gesund waren. Ab und zu war es dennoch notwendig, ein Gewitter oder Kugelblitze zu Hilfe zu nehmen, weshalb die Wände des Behandlungszimmers von Rauch und Qualm schwarz wurden. Man behalf sich, indem man die Wände mit dunklen Platten abdeckte. So bestand bei der Blitztherapie keine Brandgefahr mehr, und die Wände verrußten auch nicht mehr so schlimm wie früher.
    Nach zwei Wochen intensiver Arbeit teilte Onni Osmola Rutja besorgt mit, er habe nur noch so wenig Hysteriker auf Lager, daß sie höchstens noch für zwei oder drei Tage reichten. Onni Osmola hatte sich bereits bei zwei Psychiatern, die er kannte, Patienten ausgeliehen, aber auch die gaben ihre Verrückten nicht so ohne weiteres her, schon gar nicht für eine wirkungsvolle Behandlung, denn womit sollte ein Psychiater sonst sein Brot verdienen, wenn nicht mit verrückten Menschen. Gibt es keine Verrückten mehr, wird der Psychiater arbeitslos, und das wünscht sich schließlich niemand.
    Um den Verrücktenmangel zu beheben, schlug Notar Mälkynen vor, die öffentlichen Nervenheilanstalten des Landes anzugehen. Das war eine großartige Idee, denn alle wußten, wie überlastet diese Einrichtungen waren. Schon seit Jahren klagten die leitenden Ärzte und die Geschäftsführer der Psychiatrien in der Presse über ihre aufreibende und übergroße Arbeitsbelastung, den ständigen Personalmangel im Pflegebereich sowie Platzprobleme in den zumeist veralteten Räumlichkeiten. Jetzt war die Gelegenheit da, diese Mißstände ein für alle mal aus der Welt zu schaffen. Das Gemütskurhaus Ronkaila würde seine kostenlose Hilfe bei der Auflösung des Patientenstaus anbieten. Als Onni Osmola den Gedanken einigen Zentralpsychiatrien in Südfinnland vortrug, reagierte man dort zunächst mit Zurückhaltung, als jedoch vertraglich vereinbart wurde, die eventuellen Heilungen der Zulieferklinik gutzuschreiben, kam das Geschäft zustande. Nun fuhren regelmäßig Krankenwagen nach Ronkaila, die tobende Geistesgestörte zur Blitztherapie brachten. Außerdem kamen ganze Busladungen leichter Neurotiker, zum Teil aus Ost- und Nordfinnland. Wieder lagen über dem Dorf Pentele in der Gemeinde Suntio Gewitter in der Luft.
    Um diese neue Patientenschwemme abzuarbeiten, benötigte Rutja lediglich zwei Wochen. Anfang August konnte er bekanntgeben, mit Onni Osmolas sachkundiger Hilfe mehr als siebenhundert Patienten behandelt zu haben. Täglich wurden mehr als vierzig Patienten behandelt, was daher rührte, daß Rutja mit Gruppentherapien begonnen hatte, bei denen als therapeutische Hilfsmittel blau flackernde Blicke eingesetzt wurden. War eine unruhige Gruppe zu therapieren, verwendete Rutja auch Gewitter und Kugelblitze sowie deftige Zauberformeln.
    In den staatlichen psychiatrischen Kliniken wunderte man sich allmählich, wohin die Patienten verschwanden, nachdem sie zu Schockexperimenten ins Gemütskurhaus Ronkaila verschickt worden waren. Es wurde sogar befürchtet, die Patienten könnten in der Anstalt Ronkaila zu Zwangsarbeit auf den Feldern herangezogen werden. Man beschloß, der Sache nachzugehen, denn eine psychiatrische Klinik, die ihre Patienten aus den Augen verlor, wurde ihrer Aufgabe nicht gerecht.
    Wie sich herausstellte, arbeiteten die Patienten ganz und gar nicht auf den Feldern Ronkailas, sondern kehrten nach ihrer Heilung in ihr normales Privatleben zurück und suchten sich schnurstracks wieder Arbeit. Viele ehemalige Verrückte hatten bereits Stellen gefunden, einige von ihnen hatten sich in bedeutsamen Aufgaben in den unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens etabliert.
    Dieser Umstand zwang die Führungsebene der Nervenheilanstalten dazu, die Lage neu zu überdenken. Zwar war es ihrer Ansicht nach eine außerordentlich gute Sache, daß als unheilbar eingestufte Patienten plötzlich gesund wurden und ins Arbeitsleben zurückkehrten. Da war nichts dagegen zu sagen. Aber die Sache hatte leider auch eine andere, wichtigere Seite. Mitte August mußte man nämlich feststellen, daß die psychiatrischen Kliniken Finnlands unter akutem Patientenmangel litten. Es kamen schlicht und einfach keine neuen Verrückten

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