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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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fragte, ob sie ihr durchsichtiges Nachthemd anziehen solle – falls Rutja im Zusammenhang mit dem Ritual eine Tanzaufführung wünsche –, oder sei es besser, wenn sie in normaler Kleidung erschiene? Rutja fand, bei einem Richtfest sei es eventuell unpassend, in allzu leichter Bekleidung aufzutreten, da nicht nur Jünger anwesend waren. Insbesondere die Bauarbeiter von Juselius hielt Rutja in dieser Beziehung für übersensibel.
    Die Gnome hielten sich im Schatten, als die ganze Schar am Samstagabend zum Gestaltwechselfelsen zog. Um die Felsplatte herum hatten Hannula und Sivakka lange Richtfesttische aufgestellt, auf denen weiße Tischdecken lagen. Allerlei Leckereien wurden aufgetragen: kalter Aufschnitt, Braten, Salate, Bier und Wein. Sampsas Kultfigur stand auf dem Felsen, das altbekannte Grinsen im Gesicht. Sampsa hingegen hielt sich zunächst noch im Wald versteckt, denn Rutja wollte ihn – und damit also seine eigene göttliche Gestalt – erst vorstellen, wenn das Fest ordentlich in Gang gekommen war.
    Auf dem Felsen wurde ein Feuer entzündet, um das die Elfen und Wichtelmännchen tanzten. Die Festgäste nahmen an den Tischen Platz, Rutja am Kopfende der längsten Tafel. Die Frauen, die Küchenhilfen und die ehemaligen Verrückten servierten unter Anleitung von Steuerprüferin Suvaskorpi das Essen. Die Wichtelmännchen legten jedem Messer und Gabel hin, und die Gnome falteten Papierservietten, die alle ein bißchen anders ausfielen, da die Erdgeister keine Erfahrung mit dieser Arbeit hatten.
    Rutja erhob sein Weinglas.
    »Eßt und trinkt, ihr Gottesgeschöpfe! Seid glücklich!« Das Volk aß und trank und war glücklich. Ein Maler aus Juselius’ Truppe stand auf, erhob seinen Bierbecher und bedankte sich für die außerordentlich gute Verpflegung auf der Baustelle.
    »Ich muß zugeben, daß wir uns am Anfang ein bißchen über diese Baustelle gewundert haben und uns gefragt haben, wo wir denn hier hingeraten sind. Auch weil die Gnome als Handlanger dabei waren. Kaum jemand von uns hat früher schon mal ein Irrenhaus für Götter gebaut, deshalb war auch das etwas, was uns am Anfang ein bißchen eigenartig vorgekommen ist. Aber man gewöhnt sich an alles, und es ist gut gelaufen. Die Löhne waren in Ordnung und die Behandlung astrein. Da kann man sich nicht beklagen. Also im Namen der Arbeiter bedanke ich mich beim Bauherrn und wünsche der neuen Klapsmühle alles Gute. Verrückte gibt es in Finnland ja genug, das Haus wird bestimmt nie leerstehen. Danke noch mal und hoch die Tassen!«
    Es wurde angestoßen, die Arbeiter ließen Rutja Ronkainen hochleben, ihren ungewöhnlichen, aber hochanständigen Arbeitgeber.
    Rutja bedankte sich im Namen der Bauherren bei den Arbeitern:
    »Ihr habt gearbeitet, wie es den Göttern gefällt. Denkt daran, solltest ihr in eurem Leben einmal vor scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten stehen, dann könnt ihr immer zu mir oder meinem Vater beten. Anständige Arbeiter lassen wir nie im Stich. Das Unmögliche darf man nicht verlangen, aber aus der Patsche helfen kann ich euch immer, da könnt ihr sicher sein.«
    Notar Mälkynen ergriff nun das Wort im Namen derjenigen, die für die Entwürfe zuständig waren, und Werbeleiter Keltajuuri überbrachte die Grüße der Banken und Sponsoren. Für die Erdgeister und Wichtelmännchen erhob sich ein Gnom mit pelzigem Gesicht. Er stellte sich auf den Opferfelsen und sang mit rauher Stimme:
     
    Tagsüber haben wir Steine geschleppt,
    nächtens Verrückte aufgepeppt,
    hu, ha, heja hu!
     
    Dazu tanzten die Elfen im Takt, den die Wichtelmännchen schlugen.
    Nach dem Tanz stand wieder Rutja auf und hielt eine Rede über den alten Glauben der Finnen. Er erzählte den Festgästen von all den finnischen Göttern, deren Vertreter er nun auf Erden war. Dann verlas er die sechs Gebote Ukko Obergotts und gab einige Erläuterungen dazu:
     
    1. Du sollst stets daran denken, Ukko zu fürchten.
    Was heißt das? Das bedeutet, daß jeder Finne, sei er nun Mann, Frau, Kind oder Greis, stets innehalten soll, wenn es ein Gewitter gibt. Das Gewitter ist ein Zeichen für die Anwesenheit Ukko Obergotts. Wer bei Gewitter spricht oder sich unanständig aufführt, kann unter Umständen einen Blitz auf den Kopf bekommen, in jedem Fall aber kommt er nach seinem Tod nicht in den Himmel, sondern wird in die tiefen Wasser des Totenflusses geworfen oder in den Freßnapf des Unterweltköters.
     
    2 . Du sollst nicht schlecht zu den Kleinen sein.
    Was heißt

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