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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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für diese Berechnungen die Marketingmathematik angewandt, die mir auch für die Beantwortung dieser religiösen Fragen vollkommen tauglich zu sein scheint. Wir gehen normalerweise davon aus, daß ein gesundes Individuum, das sich die Werbebotschaft vollständig zu eigen gemacht hat, imstande ist – sofern es das will –, diese Werbebotschaft an vier weitere Personen in seinem Umkreis zu vermitteln. Von diesen vier Personen geben wiederum zwei oder drei die Information weiter.«
    »Also genau wie bei Zins und Zinseszins«, merkte Steuerprüferin Suvaskorpi an.
    »Das hier ist noch effektiver. Hier geht es bis zum Zinseszinseszins, und da kommen dann auch noch mal Zinsen drauf. Diesem Schema zufolge – unter Berücksichtigung des kumulativen Effekts – geben tausend geheilte Patienten innerhalb von zwei Monaten die Botschaft weiter an eine Personenmenge von… Moment, hier ist es: 100 x 4 + 1000 + 100 x 3 + 100, und das wird nun noch mit der Zeiteinheit multipliziert. In diesem Fall habe ich die Dauer der Bekehrungsarbeit mit nur wenigen Tagen pro Verrücktem veranschlagt… Also, das Ergebnis für zwei Monate lautet summasummarum 144.000 Personen. Rechnet man noch den sogenannten massiven Gesamteffekt hinzu, der meines Erachtens in diesem Fall besonders hoch ist, würde ich schätzen, daß sich nach Ablauf von zwei Monaten 200.000 Menschen in diesem Land zum neualten Glauben an den Donnergott bekennen.«
    Notar Mälkynen merkte an, daß bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon zweitausend Patienten geheilt worden waren und Keltajuuris Berechnungen nur auf tausend vom bösen Geist Befreiten basierten.
    »Ich weiß, ich weiß. Die Zahlen müssen natürlich entsprechend nach oben korrigiert werden. Bis Mitte Oktober wird es in Finnland mindestens eine halbe Million Anhänger des neualten Glaubens geben. Wenn es bei uns üblich wäre, aus unserer Mitte Bischöfe zu wählen, könnten wir Ende des Jahres mindestens drei oder vier davon ernennen.«
    Rutja war mit dem Ergebnis zufrieden. Was würde Ukko Obergott wohl denken, wenn er nach seiner Rückkehr in den Himmel die erzielten Resultate präsentierte? Ajattaras Rockzipfel würden nicht mehr lange frei herumflattern, dafür sah die Rechnung schon jetzt viel zu gut aus.
    »In Finnland gibt es jetzt schon viele Tausende, die sich zum neualten Glauben bekennen. Ich habe ein Marktforschungsinstitut beauftragt, eine schnelle Telefonumfrage zu starten. Dabei ergab sich eine hochgerechnete Zahl von 14.000 Vollgläubigen. Ehrlich gesagt sieht es so aus, als würde der neualte Glaube schneller Verbreitung finden als seinerzeit Coca-Cola oder Gillette-Rasierklingen. Wie konnte das so ganz ohne Werbekampagne nur gelingen?«
    Steuerprüferin Suvaskorpi warf ein, was sie hier machten, sei schließlich ein Werk der Barmherzigkeit und kein Marketingprojekt.
    »Mit guten Taten erreicht man mehr als mit Fernsehwerbung«, sagte sie ernst und warf einen bewundernden und verliebten Blick auf ihren Gott Rutja Ronkainen.
    »Der finnische Verrückte ist in einem solchen Maße verrückt, daß er sofort gläubig wird, wenn er von seiner Verrücktheit geheilt wird«, philosophierte Notar Mälkynen.
    Werbeleiter Keltajuuri äußerte Lob über die Wahl der Zielgruppe.
    »Bei uns in der Werbewelt ist noch nie auch nur daran gedacht worden, Geisteskranke oder wenigstens Hysteriker als Träger der Werbebotschaft zu nutzen. Sie sind einfach nicht unter der werktätigen Bevölkerung verbucht. Müßte man daraus nicht einige eindeutige Schlußfolgerungen ziehen, wenn man an die eigene Agentur denkt?«
    »Die Heilungen Jesu waren amateurhaft im Vergleich zu deiner Leistung«, pries Notar Mälkynen Rutja. Der Sohn des Donnergottes war im Grunde derselben Meinung, merkte aber trotzdem an, daß das Volk Israel zu Lebzeiten Jesu vor zweitausend Jahren vielleicht nicht auf so günstige Weise verrückt gewesen war wie die Finnen heutzutage. »Laßt uns nicht stolz werden, sondern demütig unsere Heilungen fortführen, bis die Aufgabe vollkommen erfüllt ist!«
    In Helsinki breitete sich das Gerücht vom sonderbaren Gemütskurhaus Ronkaila in rasender Geschwindigkeit aus. Man sprach darüber auch in jenen Gesellschaftskreisen, in denen ohnehin reichlich hysterische Menschen auftraten, und in denen man daher besonderes Interesse an den neuen, effektiven Behandlungsmethoden hegte. Einige Zeitungen schrieben über die Einrichtung, aber Journalisten tauchten in Ronkaila nicht auf. In Pressekreisen erinnerte man

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