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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Hälfte sorgfältig ab, und schließlich faltete er ein Drittel dieser Hälfte ein weiteres Mal und hämmerte sie wieder flach, bis nur noch in der Mitte eine leichte Erhebung blieb und sich eine kurze, blattförmige Spitze herausgebildet hatte. Murdo gefiel die Arbeit mit Eisen, doch er betrachtete das Werk des Schmiedes mehr als Kuriosität denn als Waffe. Sicherlich war ein Eisenspeer viel zu schwer, um geworfen zu werden, und die kurze Spitze konnte nicht mehr, als die Haut des Gegners nur anzuritzen.
    »Warte bis der Stiel in den Holzschaft gesteckt wird«, erklärte Bezu und zeigte Murdo, wie man die Eisenstange in einem geschnitzten Heft aus Esche oder Eiche befestigte. »Siehst du? So kann sich die Spitze nicht aus dem Schaft lösen, und dank des Metallkerns ist der Schaft stabil wie Eisen. Wenn er fertig ist, hast du einen Speer, der nicht zerbrechen kann! Das ist die römische Art.«
    So verbrachte Murdo die feuchten Wintermonate: Meist kam er schon recht früh in die Schmiede, arbeitete bis Sonnenuntergang, und oft verbrachte er sogar die Nächte neben dem Feuer. Wenn die Enge der Schmiede ihn mehr bedrückte denn wärmte, ging Mur-do hinaus, setzte sich auf die alte römische Hafenmauer, wickelte sich in seinen Umhang und blickte über das flache Land hinaus aufs Meer. Regen oder Sonne - das machte keinen Unterschied für Mur-do. Die kühlen Schauer, die Burgund im Winter plagten, waren verglichen mit den eisigen Winterstürmen auf Orkneyjar geradezu angenehm.
    Wenn er so alleine am Hafen saß, dachte er - wie übrigens meistens - an Ragna und überlegte sich, was er bei ihrem Wiedersehen alles tun würde. Er stellte sich vor, wie er sie lieben, mit ihr ein Heim gründen und wie sie sich ein gemeinsames Leben aufbauen würden. Er dachte auch an Hrafnbu und stellte sich vor, wie er, sein Vater und seine Brüder es den Klauen des verräterischen Eindringlings Orin Breitfuß entreißen würden. Er dachte an seine Mutter, und er hoffte, daß es ihr gut ging und daß sie sich nicht allzu viel Sorgen um ihn machte. Zumindest tröstete ihn, daß sie bei Ragna war -an manch trübem Tag war dies sogar das einzige, was seine Gedanken wärmte.
    Während sich das Rad der Zeit langsam Richtung Frühling drehte, wurde Murdo immer ungeduldiger, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als so bald wie möglich wieder aufzubrechen. Tag für Tag beobachtete er, wie die tiefhängenden Wolken Richtung Süden zogen, und er fragte sich, wann Jon Reißzahn wohl seine Mannschaft wieder zusammenrufen und ablegen würde. Oft ging er zum Hafen hinunter, und beinahe bei jedem Besuch fand er den großen Nordmann und ein, zwei seiner Männer, die sich mit kleineren Arbeiten beschäftigten: Sie flochten Taue, flickten das Segel, reparierten die Ruder und so weiter. Murdo vermutete, daß sie sich schon bald wieder auf den Weg machen würden, doch wann immer er fragte, blickte der Herr des Schiffes in den Himmel, begutachtete den Wind und verkündete: »Heute nicht.« Dann pflegte Jon jedesmal den Kopf zu schütteln. »Vielleicht morgen. Du hast noch einen Tag auf dem Trockenen.«
    Aber auch am nächsten Tag war die Antwort stets die gleiche. Als Murdo bereits glaubte, sie würden nie wieder ablegen, blickte Jon eines Tages erneut in den Himmel und deutete auf die nach Norden ziehenden Wolken. »Heute kaufen wir Vorräte. Morgen werden wir segeln.« Dann befahl er Murdo, die Tavernen und Bordelle abzusuchen und die Mannschaft zusammenzutrommeln.
    Die Arbeit war rasch getan: Die meisten der Männer hatten ihr Silber ohnehin schon lange aufgebraucht und waren begierig darauf, die Reise fortzusetzen. Die frommen Brüder Ronan, Fionn und Emlyn jedoch mußte man förmlich aus dem Kloster loseisen; dann wurden sie zu den Händlern geschickt, um Proviant zu besorgen -diese Aufgabe fiel ihnen zu, weil kein noch so wortgewandter Kaufmann die gerissenen Kirchenmänner über den Tisch ziehen konnte.
    Während die Mönche den notwendigen Proviant besorgten, arbeitete die Mannschaft daran, das Langschiff seetüchtig zu machen. Dank des milden Winters befand sich der Rumpf in gutem Zustand;
    kein Wasser war in Ritzen und Fugen gefroren und kein Sturm hatte Mast und Takelage beschädigt, so daß den Männern nichts weiter zu tun blieb, als das Deck zu schrubben und ein wenig aufzuräumen. Das Zelt wurde wieder auf der Plattform hinter dem Mast errichtet, und am Ende des Tages, als Fässer und Säcke mit Proviant eintrafen, war das Schiff bereit, in See

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