Der Sohn des Kreuzfahrers
zu stechen.
Zufrieden mit der Arbeit gewährte Jon Reißzahn seinen Männern einen letzten Landgang, und auch Murdo verließ das Schiff. Allerdings ging er nicht in die nahe gelegene Taverne, sondern zu Bezus Schmiede, um seinen Freunden Lebewohl zu sagen.
»Wenn du noch ein wenig länger bleiben würdest«, sagte Bezu, »könnten wir einen richtigen Waffenschmied aus dir machen.« Dann holte er den Speer hervor, an dem Murdo gearbeitet hatte und reichte ihn ihm mit den Worten: »Ich glaube, dort, wo du hingehst, wirst du ihn ganz gut gebrauchen können.«
»Aber ich besitze nichts, was ich dir dafür geben könnte.«
»Macht nichts«, erwiderte Bezu. »Er ist ein Geschenk.«
»Ich wollte ihn eigentlich noch fertigmachen«, sagte Murdo und betrachtete den blanken Stahlschaft. Auch wenn es sich um eine grobe Arbeit handelte und man die tödliche Wirkung der Waffe kaum erahnen konnte, war Murdo stolz darauf. »Ich wünschte, ich hätte etwas, was ich dir geben könnte.«
»Nimm ihn, und schmiede ihn weiter«, sagte der Waffenschmied. »Und wenn man dich fragt, woher du eine solch gute und furchterregende Waffe hast, wirst du antworten, Bezu, der Meisterschmied von Arles, habe sie gemacht, und er würde jedem, der zu ihm kommt, einen ebenso guten Speer anfertigen. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Murdo bedankte sich für das Geschenk und sagte Bezu und seinen Lehrlingen, in Orkneyjar seien sie jederzeit herzlich willkommen. Bezu begleitete ihn noch ein Stück die Straße hinunter; dann blickte der Schmied in den Himmel, blinzelte in die Abenddämmerung, wünschte Murdo eine gute Reise und eilte wieder zu seiner Hütte zurück. Anschließend lief Murdo ohne Umweg zum Hafen und ging an Bord.
»Was hast du denn da?« fragte Jon Reißzahn, als Murdo über die Reling kletterte.
»Das ist ein Speer. Ich arbeite noch daran«, antwortete Murdo und hielt dem Nordmann das Eisen entgegen, damit er es bewundern konnte.
»Ach, ein Speer«, kicherte Jon. »Das sieht mir aber gar nicht wie ein Speer aus. Bist du sicher, daß das nicht der Stab eines Schweinehirten ist?«
»Er ist noch nicht fertig«, erwiderte Murdo verärgert. »Man braucht noch Holz für den Schaft, und dann muß er noch geschärft werden.«
Der Seemann lachte. »Das hast du also die ganze Zeit über gemacht! Ich dachte schon, du hättest ein Mädchen in der Stadt.« Er deutete auf den Speer und sagte: »Wie das aussieht, solltest du das nächste Mal lieber dein Glück bei den Frauen versuchen.«
Um nicht noch mehr Spott zu ernten, zog sich Murdo an seinen üblichen Platz am Bug zurück und versteckte den unfertigen Speer unter der Schiffsreling, bevor irgend jemand anderes ihn zu Gesicht bekommen konnte.
Die Seeleute kehrten erst spät in der Nacht wieder zurück, doch Jon Reißzahn gönnte ihnen nur wenig Schlaf. Er weckte sie in den frühen Morgenstunden und gab Befehl zum Ablegen.
Das Langschiff wurde in die Bucht hinaus und dann den Fluß hinunter gerudert. Als sie die Flußmündung hinter sich gelassen hatten, setzten sie das Segel und drehten in den Wind. Sofort blähte sich das Segeltuch, und die Skidbladnir schnitt mit einer derart wilden Kraft durch die Wellen, als sei sie froh, endlich wieder frei zu sein.
Die Reise hatte wieder begonnen, ebenso wie die Suche nach König Magnus' Schiffen. Murdo war fest davon überzeugt, daß sie nun jeden Tag auf die Flotte des Königs treffen mußten - nur daß die Pilgerfahrt schon beendet und die Schiffe sich auf der Heimfahrt befinden würden.
Während sie langsam in südöstlicher Richtung die Küste entlangfuhren, hörten sie immer mehr Neuigkeiten über die Fortschritte der Kreuzfahrer. Die Genuesen, die mit ihren Schiffen die Pilgerheere versorgten, brachten Geschichten mit zurück, und diese Geschichten verbreiteten sich alsbald in allen Häfen, in denen die Skidbladnir anlegte.
Allerdings erhielten sie jedesmal ein Nein als Antwort, wenn sie nach der Flotte der Nordmänner fragten: Niemand hatte etwas von König Magnus und seinen Schiffen gehört oder gesehen. Ein winziges Stück Information erwies sich jedoch als nützlich. Vom Hafenmeister in Trapani erfuhren die Männer der Skidbladnir, daß die Kreuzfahrer keineswegs in Jerusalem seien, sondern sich auf dem Weg nach Antiochia befänden, einer nördlich des Heiligen Landes gelegenen Stadt. Mehr noch: Dieser Bericht war neu - nicht mehr als acht oder zehn Wochen alt.
»Antiochia!« rief Murdo, als man ihm die Neuigkeit mitteilte. Er
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