Der Sohn des Kreuzfahrers
>Er hat nur das Bewußtsein verloren. Weckt ihn wieder auf, und ihr werdet sehen.<
Die Menschen beginnen sich zu streiten. >Habt ihr ihn denn nicht in seinem Todeskampf schreien gehört? Er ist tot.<
>Nein, nein, er lebt. Brecht ihm die Beine. Tötet ihn!<
Die blutige Hinrichtung dreier Männer reicht dem Pöbel nicht. Unter den Zuschauern kommt es zu einem Handgemenge. Um die Ordnung wiederherzustellen, beschließt Longinus, den Streitenden die Grundlage für ihren Streit zu entziehen. Er greift nach seinem Speer, tritt unter das Kreuz und befiehlt Ruhe. Dann stößt er den Speer nach oben! Nach oben! Nach oben zwischen die Rippen unseres Erlösers und in sein Herz hinein! Wasser und Blut sprudeln aus der Wunde. Nun weiß jedermann, daß der Sohn des lebendigen Gottes wahrhaft tot ist.«
Der rundgesichtige Priester schwieg einen Augenblick lang, und Murdo bemerkte, daß sie beide stehengeblieben waren und daß er selbst den Atem angehalten hatte, während er voller Spannung darauf wartete, daß der Mönch fortfuhr. Langsam atmete er wieder aus, und beide setzten sich wieder in Bewegung.
»Nun«, seufzte Emlyn, und ein Hauch von Traurigkeit mischte sich unter seine Stimme, »so nehmen sie unseren Herrn Jesus vom Kreuz und legen ihn in ein Grab, das einem Mann mit Namen Josef von Arimathäa gehört, einem reichen Kaufmann und geheimen Anhänger unseres Herrn. Doch die Feinde Gottes sind noch nicht zufrieden. Kaum daß der Leichnam ins Leichentuch gehüllt und davongetragen wurde, eilen die boshaften Pharisäer zum römischen Statthalter Pontius Pilatus. Diesem erklären sie: >Dieser Mann, den Ihr habt hinrichten lassen - das dumme Volk glaubt, er sei ein großer Zauberer. Tatsächlich hat man ihn oft prahlen gehört, er würde eines Tages wieder von den Toten auferstehen.<
Doch unterstützt Pilatus sie in ihren hinterlistigen Intrigen? Nein, das tut er nicht! Der Statthalter wünscht, in Ruhe zu Abend zu speisen. >Ist das so?< erwidert er. >Nun, wir werden sehen, was für ein Mann er war. Und nun, verschwindet! Ich will nichts mehr von euch hören.<
Doch die Pharisäer lassen ihn nicht in Ruhe. >So einfach ist das nicht<, sagen sie. >Wir wünschten, es wäre anders. Ihr müßt wissen, daß wir von einer Verschwörung seiner Anhänger erfahren haben, die planen, den Leichnam heute nacht aus dem Grab zu stehlen. Sollte ihnen das gelingen, wäre es ein Leichtes, damit zu prahlen, er sei von den Toten auferstanden. Denkt doch nur an all den Ärger, den das verursachen könnte.<
>Sollen sie doch tun und lassen, was sie wollen<, knurrt Pilatus, der allmählich wütend wird - sein schlechtes Gewissen hat ihm bereits eine Nacht voller böser Träume beschert. >Was auch immer sie sagen mögen, wir werden es als Lüge entlarven, und das war es dann. Wir reden hier von Hirten und Fischern. Ihr macht mehr aus ihnen, als sie sind.<
>Oh, wie vertrauensselig Ihr seid<, wundern sich die hinterlistigen Pharisäer. >Doch leider handelt es sich hierbei nicht nur um Hirten und Fischer, sondern um sehr gefährliche Männer, die vor nichts haltmachen. Mehr noch: Sie haben die Zuneigung des Pöbels. Stellt Euch doch nur einmal vor, was geschehen würde, wenn diese Verbrecher ihre Lügen unter dem Volk verbreiten. Unruhen wären die Folge - oder gar Schlimmeres. Wir denken nur an Euch und Eure Stellung, o mächtiger Statthalter. Selbstverständlich könnte das alles mit Leichtigkeit verhindert werden.<
>Und was schlagt ihr vor?< fragt Pilatus.
>Postiert für einige Tage eine Kohorte eurer besten Männer rund um das Grab<, raten ihm die verschlagenen Pharisäer. >Die Verbrecher werden nicht wagen, etwas zu unternehmen, solange römische Legionäre die Gruft bewachen.<
Pilatus blickt auf sein inzwischen kalt gewordenes Abendessen und trifft eine Entscheidung. >Wenn ich meine Soldaten schicke, versprecht ihr mir dann, mich nie wieder mit euren armseligen Intrigen zu belästigen? Und versprecht ihr mir, zur Abwechslung auch einmal mich zu unterstützen, so wie ihr es umgekehrt immer von mir verlangt habt?<
Die Juden geben sich bestürzt ob der Andeutung, sie seien nicht stets treue Diener des Reiches gewesen; dennoch stimmen sie Pilatus zu, und noch in derselben Stunde werden Soldaten ausgeschickt, um das Grab zu bewachen. Wie es der Zufall will, sind es dieselben Soldaten, die auch schon bei der Kreuzigung dabei waren. Longinus hat als Zenturio das Kommando, als plötzlich die Erde bebt, das Grab sich öffnet und unseren
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