Der Sohn des Kreuzfahrers
werden wir angreifen, und keinen Augenblick früher.< Wütend läßt Bohemund seinen Blick über die versammelten Fürsten schweifen. Ihm gefällt die Lage ebenso wenig wie ihnen, aber was kann er tun?
Also kehren die Herren zu ihren Männern in die Schlachtreihe zurück. Brusi und ich teilen unseren Skoten und Orkneyingar mit, was der Fürst beschlossen hat, und wir alle richten uns auf ein längeres Warten ein, bis der Rest der Armee zu uns stößt und der eigentliche Kampf beginnen kann. Aber der Tag ist schon weit fortgeschritten: Es ist bereits nach Mittag, und noch immer keine Spur von Raimund. Wo sind sie? Nur wenige Meilen trennen uns voneinander. Was hat sie aufgehalten?
Inzwischen werden die seldschukischen Bogenschützen immer wagemutiger, und - obwohl das schwer zu sagen ist - mit jedem Angriff erscheinen mehr Ungläubige auf dem Schlachtfeld. Wir beginnen zu fürchten, daß der Feind Nachschub von einer noch weit größeren Armee erhält, von der wir bis jetzt noch nichts gesehen haben. Bo-hemund reitet ständig die Reihe auf und ab, mahnt uns durchzuhalten und spricht uns Mut zu.
Und die ganze Zeit über dringt der Feind auf uns ein: Er schwärmt und schwärmt und schwärmt wie Wespen oder Hornissen, die man aus ihrem Nest vertrieben hat und die immer und immer wieder zustechen. Wir halten stand. Der Tag vergeht, und noch immer ist nichts von Raimunds Armee zu sehen. Gnädiger Gott im Himmel! Wo sind sie? Warum lassen sie uns im Stich?«
Die Frage wurde zu einem qualvollen Schrei, als Ranulf, der die Schlacht in Gedanken noch einmal durchlebte, ein weiteres Mal von derselben Hoffnungslosigkeit erfüllt wurde, die an jenem schrecklichen Tag immer rascher um sich gegriffen hatte. Er versuchte, sich
aufzurichten, doch die Bewegung hatte einen weiteren schmerzhaften Hustenanfall zur Folge. Murdo, der seinem Vater fasziniert zugehört hatte, griff nach dem Wasserschlauch und hielt ihn Herrn Ranulf an die Lippen. »Alles ist gut«, sagte er in dem Bemühen, seinen Vater wieder ein wenig zu beruhigen. »Es ist vorbei. Es gibt nichts mehr, wovor du dich fürchten müßtest.«
Ranulf trank einen kräftigen Schluck und stieß den Schlauch dann beiseite. »Ich blicke an der Schlachtreihe entlang«, sagte er und fiel wieder zurück auf die schweißdurchtränkte Pritsche. »Die Lücken in unseren Reihen sind jetzt größer. Die Schlachtreihe reißt auseinander. Die Männer drängen sich aneinander und versuchen sich gegenseitig mit den Schilden zu schützen - das ist das erste Zeichen, daß eine Armee die drohende Niederlage spürt, erinnere dich meiner Worte.
Bohemund reitet noch immer auf und ab und ruft den Rittern zu, sich neu zu formieren, als sich plötzlich ein lauter Schrei erhebt. Ich sehe, wie Bohemund sich im Sattel umdreht, also drehe auch ich mich um. Herzog Robert hat sich aus der Reihe gelöst und führt einen Angriff gegen den nächstbesten seldschukischen Schwarm. Herr Brusi und seine Söhne sind mit ihm geritten. Wir hatten geschworen, mit dem Fürsten gemeinsam standzuhalten, und dieser Trottel ist den normannischen Rittern in den Kampf gefolgt.
Aber halt! Sie haben den Feind überrascht. Die Seldschuken werden zu den eigenen Reihen zurückgeworfen - jene, die nachrücken, werden von den Fliehenden wieder zurückgetrieben. Sie sind vollkommen verwirrt. Die Seldschuken stieben in alle Richtungen auseinander, und es sieht aus, als würden die Ritter den Angriff siegreich zu Ende führen können. Nun drängen auch andere, man solle ihnen gestatten, sich dem Angriff anzuschließen.
Bohemund ist vorsichtig. Er fordert uns auf, die Stellung zu halten, doch niemand hört mehr auf ihn. Alle glauben, dies sei die Gelegenheit, auf die wir gewartet hätten, und sind begierig darauf, sie zu ergreifen, um dem Schlachten ein für allemal ein Ende zu bereiten.
Mit dem Ruf nach Gott und Ruhm geben sie ihren Rössern die Sporen und treiben sie zum Galopp. Die flämischen und englischen Truppen schließen sich dem Angriff an, rasch gefolgt von Stephan und Tankred und ihren Kämpfern. Selbst Bohemunds Ritter drängt es hinter den anderen her, doch der Fürst hält uns zurück. >Bleibt standhaft, Männer!< schreit er und eilt wieder die Reihe entlang. >Hal-tet die Stellung!<
Jene von uns, die zurückbleiben müssen, rufen laut, man solle ihnen gestatten anzugreifen. Mehr als diese Bitte kann ich Torf und Skuli nicht bieten, denn auch sie sind begierig darauf, den Kampf zum Feind zu tragen. Alle schreien
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