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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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»Verbrennt sie und zwar schnell!«
    »Mein Herr Graf«, erwiderte der Kaplan, »ich bitte Euch, diesen Befehl zu überdenken. Der Rauch eines solchen Feuers wäre weit schlimmer als der Gestank.«
    »Das ist mir egal«, schnappte Raimund wütend. »Zumindest wird es diese verfluchten Vögel zum Schweigen bringen! Nichts kann schlimmer sein, als Tag und Nacht diesen Leichenfledderern zuhören zu müssen. Verbrennt sie! Verbrennt sie alle, sage ich! Habt Ihr mich gehört, Aguilers?«
    »Ich höre und gehorche, Euer Gnaden. Es wird getan werden.« Der Abt verneigte sich vor Raimunds Autorität und wünschte sich nicht zum erstenmal, daß Bischof Adhemar noch am Leben wäre. Er schickte sich an zu gehen, doch dann erinnerte er sich daran, warum er hergekommen war, und er drehte sich noch einmal um. »Verzeiht mir, Herr, ich wollte Euch lediglich davon in Kenntnis setzen, daß Graf Robert eingetroffen ist. Er wartet in Euren Privatgemächern.«
    »Jetzt schon?« rief Raimund. »Gut, gut!« Er sprang aus dem Stuhl und schritt zur Tür, wo er gerade lange genug stehenblieb, um über die Schulter hinweg einen letzten Befehl zu erteilen. »Kümmert Euch um die Verbrennung, Abt! Ich will, daß man noch vor meiner Rückkehr damit beginnt.«
    Seine langen Beine trugen Raimund rasch zu den inneren Gemächern, die er als Empfangs- und Warteräume für Abgesandte und seine Freunde bestimmt hatte. Der Graf hatte seinen Mitpilgern gegenüber durchblicken lassen, daß er sich nicht weigern würde, die Herrschaft über die Heilige Stadt zu übernehmen, sollte man ihn darum bitten; denn schließlich war er ja vom Papst persönlich zum Führer des Kreuzzugs bestimmt worden. Aus diesem Grund hatte er auch seinen wichtigsten Verbündeten in die Lager der anderen Fürsten geschickt, um herauszufinden, wie sie zu seiner baldigen Thronbesteigung standen.
    Unglücklicherweise hatte das Fieber Raimunds eifrigsten und treuesten Verbündeten - Bischof Adhemar - dahingerafft, und die Grafen Hugo von Vermandois und Stephan von Blois hatten den Kreuzzug nach Antiochia verlassen, wodurch es Raimund nun ein wenig an Mitstreitern mangelte, die sein Anliegen unterstützten. Also schenkte er seine Gunst nun anderen, und es war ihm gelungen, Robert, Graf von Flandern, auf seine Seite zu ziehen. Auch wenn sich jener am Anfang ein wenig gesträubt hatte, war Robert inzwischen Raimunds wichtigster Vertrauter geworden. Außerdem genoß Robert aufgrund seines außergewöhnlichen Mangels an persönlichem Ehrgeiz auch das Vertrauen der anderen Edelleute. In den vergangenen zwei Tagen war der Graf von Flandern von einem Lager zum anderen gewandert, hatte mit den verschiedenen Heerführern gesprochen, und nun besaß er eine recht gute Vorstellung davon, wie sehr jeder Fürst nach dem Thron strebte. Um Raimund diese Erkenntnisse mitzuteilen, war er nun hier. Er saß auf einem Stuhl, hatte die Hände vor dem Bauch gefaltet, die Beine ausgestreckt und die Augen geschlossen.
    Als Graf Raimund in den Raum stürmte und seinen Freund schlafend fand, ging er zum Tisch und füllte zwei Becher mit Wein. Dann drehte er sich um und hielt Robert einen der Becher unter die Nase. »Das wird Euch wieder zum Leben erwecken, Flandern! Nehmt, und trinkt!«
    Robert öffnete die Augen und nahm den Becher an. Er trank einen kräftigen Schluck des süßen, schweren Weins, dann sagte er: »Bei dem Gott, der mich erschaffen hat, Toulouse, in den Lagern herrscht eine mörderische Hitze.« Er trank erneut und hielt Raimund den Becher hin, damit dieser ihn wieder füllen konnte. »Wenigstens weht der Wind aus dem Westen und vertreibt den Gestank.«
    »Ich habe Befehl gegeben, die Leichen zu verbrennen«, erwiderte Raimund, während er den Becher wieder auffüllte. »Aber sagt mir: Was habt Ihr erfahren?«
    Robert trank und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Aaah, das löst die Zunge ein wenig.« Er blickte zu Raimund. »Und jetzt zum Wesentlichen.« Er stellte den Becher auf den Tisch. »Im Moment sieht es so aus: Jeder offene Widerstand gegen Eure Thronbesteigung hat sich aufgelöst wie Tau in der Wüstensonne. Bohemund wird sich ohne Zweifel mit Antiochia zufriedengeben. Gleiches gilt für Balduin in Edessa. Allerdings kann man nicht vollkommen ausschließen, daß sie nicht auch versuchen werden, Jerusalem für sich zu beanspruchen.«
    »Sollen sie es nur versuchen!« schnaufte Raimund verächtlich. »Die feigen Hunde haben keinen Finger gekrümmt, um uns zu helfen, die

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