Der Sohn des Kreuzfahrers
dafür, daß man Gemächer für ihn vorbereitet«, befahl Raimund. »Gebt mir Bescheid, sobald er eintrifft, damit ich ihn persönlich willkommen heißen kann.«
Der Kaplan nickte knapp und zog sich wieder zurück. Nachdem der Priester verschwunden war, sagte Robert: »Das kommt unerwartet. Offenbar hat die Nachricht von unserem Sieg Konstantinopel ungewöhnlich schnell erreicht. Sie müssen die ganze Zeit über in der Nähe gewesen sein und den Ausgang der Schlacht abgewartet haben.«
»Ja.« Der Graf von Toulouse runzelte die Stirn und starrte in seinen Becher. »Ich will nicht so tun, als würde ich mich über die Ankunft des Griechen freuen. Tatsächlich wünschte ich, wir hätten die Frage der zukünftigen Hoheit über Jerusalem bereits vor seinem Eintreffen geklärt, doch dazu wird es zweifellos nicht mehr kommen; also bleibt uns nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen.«
Robert leerte seinen Becher und stand auf. »Ich bin müde. Falls Ihr keine weitere Verwendung mehr für mich habt, werde ich in mein Zelt zurückkehren und mich ein wenig ausruhen.«
»Aber ich bitte Euch, mein Freund«, erklärte Raimund. »Selbstverständlich könnt Ihr hierbleiben, um Euch bis zur Ankunft des Abgesandten auszuruhen.«
»Bei allem Respekt, Toulouse«, erwiderte Robert von Flandern, »vor den Mauern ist der Gestank weit weniger aufdringlich als hier. Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich in mein eigenes Zelt zurückziehe.«
»Wie Ihr wünscht«, entgegnete der Graf. »Aber kehrt wieder zurück, wenn der Gesandte eintrifft. Dann werden wir gemeinsam speisen und uns anhören, welche Pläne der Kaiser für die Heilige Stadt hat.«
»Ihr seid sehr freundlich, Toulouse.« Robert nahm das Angebot mit einem knappen Nicken an. »Es wäre mir natürlich eine Ehre.«
Die feuerrote Sonne ging hinter den trockenen Hügeln Palästinas unter und verblaßte zu einem fauliggelben Ball. Dalassenos hielt kurz an, um einen Schluck Wasser zu trinken, während er auf die Heilige Stadt blickte. Der dichte schwarze Rauch, der in den Himmel stieg, erschien ihm wie lebendige Säulen, die ein diesiges Firmament stützten. Dalassenos hatte den Rauch schon fast den ganzen Tag über gesehen, und nun konnte er ihn auch riechen: Er stank nach verbranntem Fett und Fleisch, nach Haaren und Knochen. Zunächst hatte er befürchtet, die Stadt selbst stünde in Flammen, doch jetzt sah er, daß die Feuer vor den Mauern brannten, und er wußte sofort, um was es sich dabei handelte.
»Drungarios?« meldete sich sein Stratege.
»Ja, Theotikis?« erwiderte Dalassenos, ohne den Blick von den mächtigen Rauchsäulen abzuwenden.
»Ihr habt gestöhnt, Herr.«
»Habe ich das?«
»Ich habe mich nur gefragt, ob Ihr Euch vielleicht unwohl fühlt.«
Dalassenos antwortete nicht darauf, sondern nahm die Zügel auf und trieb sein Pferd wieder voran.
Kurze Zeit später erreichten der kaiserliche Gesandte und sein Gefolge aus Beamten, Beratern und Unsterblichen die Jaffa-Straße. Ohne Umwege ritten sie zum Tor, wo sie von Graf Raimunds Männern empfangen wurden, welche die Gesandtschaft zur Zitadelle führten.
Nachdem die Besucher den Festungspalast betreten hatten, hieß sie Raimund persönlich willkommen. Auch einige andere Frankenfürsten - einschließlich der Herzöge Robert von der Normandie und Gottfried von Bouillon - hatten inzwischen von der bevorstehenden Ankunft des Gesandten erfahren und waren erschienen, um das erste Gefecht des kommenden Feldzugs mitzuerleben.
»Pax vobiscum, Drungarios«, sagte Raimund und trat vor, als der Gesandte vom Pferd stieg. Der Grafbegrüßte seinen Gast mit offenen Armen, und die beiden umarmten sich steif. »Ich nehme an, Ihr hattet eine ruhige Reise. Nun, da sich die Straße von Jaffa nach Jerusalem in unserer Hand befindet, haben die Reisenden es weitaus
leichter.«
»In der Tat«, stimmte ihm Dalassenos zu. »Zwar war es auf der Straße genauso heiß und trocken wie sonst, aber glücklicherweise war nirgends ein Türke zu sehen.«
»Gegen die Hitze vermögen wir leider nichts zu tun«, erwiderte Raimund. »Ohne Zweifel besitzt der Kaiser in dieser Hinsicht größeren Einfluß.« Er lachte laut über seinen eigenen Scherz, während die anderen Edlen lediglich höflich kicherten.
»Ohne Zweifel«, entgegnete Dalassenos.
»Kommt. Ihr seid sicherlich müde und durstig. Bitte erfrischt Euch, bevor wir uns zum Abendessen zusammensetzen.« Raimund befahl seinen Dienern, den Abgesandten des
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