Der Sohn des Kreuzfahrers
Pilgern, die Hunger und Durst zum
Opfer gefallen oder Hitze, Krankheit und Pfeilen und Schwertern der Feinde erlegen waren.
Sein Vater hatte von der Bösartigkeit der Wüste gesprochen, und Murdo fühlte den Zorn des Gerechten in seinem trauernden Herz. In diesem Augenblick schwor er sich, niemals in einem Land zu sterben, das nicht sein eigen war.
Nach den Gebeten und einem weiteren Psalm halfen die Mönche Murdo auf den Esel, und langsam kehrten sie wieder zu dem wartenden Emlyn zurück. Bis sie das Zelt erreichten, wahrten die Mönche ein respektvolles Schweigen; dann sagte Ronan: »So sehr ich es auch wünschen mag, wir dürfen nicht länger hier bleiben. Das Zelt wird gebraucht. Es wäre am besten, wenn wir so rasch wie möglich verschwinden würden, um nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Dann sollen sie das Zelt haben«, erklärte Murdo. »Es bedeutet mir nichts. Ich werde meine Brüder finden und ihnen berichten, was geschehen ist. Sie werden mir helfen, den Schatz zu beschützen.«
»Du wirst später noch genug Zeit haben, darüber nachzudenken, was du als nächstes tun willst«, erwiderte der Mönch. »Zunächst müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir den Schatz verbergen, damit wir ihn bewegen können.«
»Wir werden einen Wagen brauchen - einen kleinen zumindest.«, begann Fionn.
Ronan rieb sich das Kinn. »Alle Wagen werden dazu benötigt, Wasser und Proviant in die Lager zu bringen. Es wird nicht leicht sein, einen zu finden, der nicht gerade in Gebrauch ist. Außerdem wird jeder Wagen, von dem man auch nur vermutet, er könne Schätze transportieren, das Ziel eines jeden Diebs im weiten Umkreis sein. Wir müssen das Gold vor neugierigen Blicken verbergen.«
Schweigend dachten die vier darüber nach, wie sie dies bewerkstelligen könnten. So sehr er sich auch bemühte, Murdo konnte sich nicht vorstellen, wie man den Schatz aus dem Zelt holen sollte, ohne daß noch im selben Augenblick alle Welt von dessen Existenz erfuhr. Vielleicht hatte Ronan doch recht: Er hatte den Schatz kaum in Besitz genommen, und schon war der Fluch des Goldes über ihn gekommen.
»Vielleicht sollten wir uns ein Kamel besorgen«, schlug Emlyn vor. »Die Wüstenbewohner benutzen sie als Lasttiere. Eines davon könnte sicherlich auch den Schatz tragen.«
»Und wie soll uns das helfen?« fragte Murdo. Er glaubte, Diebe könnten ein Kamel genausoleicht stehlen wie einen Wagen, und das sagte er auch.
»Nicht wenn sie glauben, es trüge Leichen!« erwiderte Emlyn. »Viele der edlen Familien von Jerusalem bestatten ihre Toten in Familiengräbern in der Wüste. Wir könnten uns als Leichenträger ausgeben und den Schatz so wegschaffen.«
Der Vorschlag erschien Murdo absurd und lächerlich, doch ihm fiel nichts Besseres ein. »Selbst wenn wir das tun wollten, woher sollen wir ein Kamel bekommen?«
»Überlaß das mir«, antwortete Ronan. »Jetzt müssen wir uns aber beeilen.« Er drehte sich zu Emlyn um. »Besorg noch ein paar Leichentücher. Dann bereitet ihr drei den Schatz vor, als wäre er ein Leichnam. Ich werde so rasch wie möglich wieder zurückkehren, und dann müßt ihr bereit sein.«
achdem die Leichen der früheren Einwohner der Stadt von den wenigen, elenden Überlebenden eingesammelt worden waren, stapelte man die Toten vor dem Säulen- und dem Jaffa-Tor zu gro-ßen Haufen, egal ob es sich um Ägypter, Syrer oder Türken handelte. Muslime, Juden und vereinzelt sogar ein paar Christen mischten sich im Tod, wie sie sich auch im Leben gemischt hatten. Kaum einen Tag hatten die Leichen in der sengenden Sonne gelegen, als sie zu quellen und zu platzen begannen, und giftige Dämpfe stiegen in die Luft und erfüllten die gesamte Stadt mit ihrem Gestank.
Besonders Graf Raimund war wegen des furchtbaren Geruchs erregt. In der Erwartung, alsbald von seinen dankbaren Gefährten den Ruf zu erhalten, die Königswürde der Heiligen Stadt anzunehmen, hatte er mit seinem Gefolge im Davidsturm, der Zitadelle der Stadt, Quartier bezogen. Somit residierte er in unmittelbarer Nähe des JaffaTors, wo einer der großen Leichenberge aufgeschichtet worden war. Da der Wind vom Meer her wehte, trug er den Gestank die Mauern hinauf und durch die Fenster der Palastfestung. Und als wäre das alles noch nicht genug, lag das endlose und laute Kreischen und Krächzen der Aasvögel in der Luft.
»Verbrennt sie!« schrie Raimund schließlich. Er glaubte, an dem Gestank ersticken zu müssen, der den Raum erfüllte.
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