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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Frieden, Murdo«, mahnte er in sanftem Tonfall. »Aus unserem Mund wird niemand etwas über den Schatz erfahren. Wir werden dein Geheimnis bewahren, solange du willst. Wir werden dir beistehen und alles in unseren Kräften Stehende tun, um dich zu beschützen.« Dann drehte er sich wieder zu dem Leichnam auf der Pritsche um und fuhr fort: »Aber bevor wir entscheiden, was das Beste für die Lebenden ist, müssen wir
    uns erst um die Toten kümmern. Bist du bereit, mein Sohn?«
    Murdo nickte. Sein Zorn verschwand so schnell, wie er gekommen war, und erneut übermannte ihn die Trauer.
    »Dann laßt uns mit der Beerdigung fortfahren«, sagte Ronan. »Em-lyn wird bis zu unserer Rückkehr über den Schatz wachen. Kommt, es ist an der Zeit, unseren Bruder auf den Weg zu bringen.«
    Gemeinsam hoben die Priester Herrn Ranulfs Leichnam von der Pritsche und trugen ihn zu dem Esel vor dem Zelt. Sie legten den schlaffen Körper über den Rücken des geduldigen Tieres, ließen Em-lyn als Wache zurück und zogen in einer kleinen, wenn auch ein wenig merkwürdigen Prozession zur vorbereiteten Grabstätte. Ronan, der auch den Esel führte, ging an der Spitze, gefolgt von Fi-onn, der Murdo auf dem Rücken trug. Während des Marsches sangen die Priester leise einen Trauergesang auf gälisch; im hellen Tageslicht und in einem fremden Land wirkte der klagende Klang ihrer Stimmen seltsam und traurig.
    Sie wanderten über den Hügel hinter dem Hospital in ein kleines Tal, wo die toten Kreuzfahrer bestattet wurden. Das gesamte Gebiet war mit kleinen, frischen Grabhügeln übersät - Hunderte und aber Hunderte von Gräbern, geziert von einfachen, sonnengebleichten Steinkreuzen. Viele Frauen und Priester arbeiteten hier: Sie hoben flache Gräber aus, die schon bald auf ewig die sterblichen Überreste von Vätern, Brüdern oder Oberherren aufnehmen würden. Immerhin, dachte Murdo verbittert, wird es meinem Vater nicht an Gefährten mangeln.
    Vor einem flachen Loch in der trockenen Wüstenerde hielten sie an, und die Priester stellten das Singen ein. Murdo setzte sich auf einen Felsen und beobachtete, wie die Mönche den Leichnam seines Vaters vom Esel hoben und neben das Grab legten. »Willst du ein paar Worte sprechen, Murdo?« fragte Ronan.
    Murdo schüttelte den Kopf. Ihm fiel nichts ein, was er hätte sagen sollen.
    Ronan nickte Fionn zu, und die beiden Mönche schoben den Leichnam ins Grab. Sie begannen erneut zu singen - diesmal einen
    Psalm auf Latein. Fionn nahm eine Handvoll der trockenen Erde, reichte sie Murdo und bedeutete ihm, er solle sie auf den Toten werfen. Murdo stand auf, humpelte ein paar Schritte vor, kniete nieder und legte die Erde seinem Vater auf die Brust.
    Dann begannen die Mönche noch immer singend, den Leichnam mit Erde zu bedecken, wozu sie die flachen Steine verwendeten, mit denen sie das Grab auch ausgehoben hatten. Sie arbeiteten sich von den Füßen nach oben vor, und als sie den Kopf erreichten, sagte Murdo: »Wartet.«
    Er bückte sich nieder und schlug das Leichentuch zurück, um einen letzten Blick auf das Gesicht seines Vaters zu werfen. Herr Ra-nulf sah aus, als schliefe er. Seine Gesichtszüge hatten sich sichtbar entspannt; nach langem Leiden schien er nun endlich Frieden gefunden zu haben. Murdo betrachtete das Gesicht, das er sein ganzes Leben lang gekannt, geliebt und geachtet hatte. Nie wieder wird mein Vater die grünen Hügel von Orkneyjar sehen, dachte er traurig, und auch nicht die Freude in den Augen seines geliebten Eheweibs. Seine Gebeine werden für immer in fremder Erde liegen, weit weg von der Heimat seiner Väter.
    Murdo hob die Finger an die Lippen und legte sie anschließend auf Herrn Ranulfs kalten Mund. »Lebewohl, Vater«, flüsterte er mit brechender Stimme.
    Dann legte er das Leichentuch wieder zurück und schob mit bloßen Händen Erde über das Gesicht seines Vaters.
    Nachdem das Grab geschlossen war, sammelten Murdo und die Mönche flache Steine in der Umgebung und legten sie in Form eines Kreuzes auf den Erdhaufen. Ronan, der am Kopf des Grabes kniete, sprach ein langes, nachdenkliches Gebet für die Seele eines Mannes, der auf Pilgerfahrt gestorben war. Murdo hörte zu, doch seine Gedanken gingen auf Wanderschaft, als er den Kopf hob und den Blick über das weite Feld frisch angelegter Gräber schweifen ließ. Es waren Hunderte, und dies waren nur die wenigen, die ihr Ziel überhaupt erreicht hatten. Murdo dachte an all die anderen, an die Tausende und Abertausende von

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