Der Sohn des Kreuzfahrers
Stadt einzunehmen. Es wird sehr, sehr lange dauern, bis einer von ihnen in dieser Stadt willkommen sein wird.«
»Das stimmt«, bestätigte Robert. »Auch die anderen Edlen sind der Meinung, daß die beiden keinen Anteil an der Beute erhalten sollten, denn schließlich haben sie die Pilgerfahrt ja nicht beendet. Keiner von ihnen würde Bohemund oder Balduin unterstützen, sollten sie Anspruch auf die Krone der Stadt erheben.« Er hob den Becher und trank einen weiteren kräftigen Schluck, bevor er seinen Bericht fortsetzte. »Also bleiben nur Robert von der Normandie und
Gottfried von Bouillon.«
»Ja? Und wozu neigen die beiden?«
»Mein Vetter, der Herzog, trifft in eben diesem Augenblick Vorbereitungen für seine Rückkehr in die Normandie«, antwortete Robert, »und Gottfried hat ähnliche Absichten geäußert; seinem Bruder Eustachius geht es nicht sonderlich gut, und deshalb wünscht er, so bald wie möglich abzureisen.«
»Dann werde ich - so Gott will - nächste Woche um diese Zeit König sein«, sinnierte Raimund.
»Das habe ich nicht gesagt«, mahnte Robert.
»Aber Ihr habt doch behauptet, es gäbe keinen Widerstand.«
»Ich habe gesagt, es gäbe keinen offenen Widerstand«, korrigierte Robert. »Keiner der anderen Herren wird Euch herausfordern - das stimmt -, aber die Kirchenmänner unter uns sagen, Bischof Arnulf von Rohes solle die Stadt für den Papst beanspruchen. Sie bestehen darauf, daß Jerusalem von der Kirche beherrscht werden soll, und seit Adhemars Tod gilt Arnulf als oberster Kirchenfürst unter den Pilgern.«
Raimund kniff die Augen zusammen. »Der Bischof ist ein guter und standfester Mann, das ist wahr«, gestand er und hob den Becher an den Mund, »und seine Predigten haben den Männern stets Mut gemacht - vor allem vor den Mauern dieser Stadt. Aber er befehligt keine Armee, und solange der Papst ihm kein Heer zur Verfügung stellt, weiß ich nicht, wie er Jerusalem beschützen, geschweige denn beherrschen will. Nein, das ist grotesk.« Er trank einen raschen Schluck; dann fragte er: »Unterstützen viele in den Lagern diesen aberwitzigen Vorschlag?«
»Einige schon, das läßt sich nicht verleugnen«, räumte der Herr von Flandern ein.
»Was ist mit dem Bischof? Hat er gesagt, ob er es begrüßen würde, auf den Thron berufen zu werden?«
»Unser Freund, Bischof Arnulf, behält seine Gedanken für sich«, antwortete Raimund. »Er hat lediglich verlauten lassen, es sei pure Eitelkeit, in jener Stadt König sein zu wollen, wo unser Erlöser einst geherrscht habe.«
»Blödsinn!«
»Dennoch teilen viele diesen Vorbehalt«, erklärte Robert. »Gottfried zum Beispiel stimmt dem voll und ganz zu.«
»Das ist doch Unsinn«, verkündete Raimund. »Ein Königreich braucht einen König. Indem ich den Thron von Jerusalem besteige, bestehle ich doch nicht unseren Herrn Jesus Christus - im Gegenteil: Ich würde diesem Thron wieder zu seiner rechtmäßigen Stellung verhelfen, die ihm so lange unter der Herrschaft der Ungläubigen verwehrt gewesen ist.«
»Vielleicht gibt es einen Weg, auch den Bischof davon zu überzeugen«, bemerkte Robert. Raimund lächelte und griff nach dem Weinkrug. »Ihr seid mir ein wahrer Freund, Robert.« Er füllte beide Becher. »Aber nun sagt mir: Was wollt Ihr?«
»Ich bin zufrieden«, antwortete Robert. »Die Heilige Stadt wieder unter christlicher Herrschaft zu sehen reicht mir vollkommen aus. Ich besitze eigene Ländereien, die es gilt, meinem geizigen Bruder zu entreißen.«
»Aber ganz Jerusalem liegt uns zu Füßen. Ihr müßt doch auch etwas für Euch selbst wollen«, hakte Raimund nach.
»Was hätte ich mir jemals mehr wünschen sollen als den Erfolg der Pilgerfahrt? Und Gott sei gelobt, das habe ich erreicht.«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und der Abt von Agui-lers trat ein. »Verzeiht mir, Herr, aber soeben ist ein Bote aus Jaffa eingetroffen. Er berichtet, daß sich ein Abgesandter des Kaisers Ale-xios auf dem Weg hierher befindet.«
Raimunds Laune verschlechterte sich spürbar. »Ach ja?«
»In eben diesem Augenblick«, bestätigte der Kaplan.
»Wann wird er hier erwartet?«
»Man hat mir gesagt: noch vor Sonnenuntergang.«
Der Graf von Toulouse überlegte kurz; dann ordnete er an: »Wenn er eintrifft, soll man ihn am Tor empfangen und sofort hierhergeleiten. Ich möchte, daß er während seines Aufenthalts in Jerusalem bei mir wohnt. Habt Ihr das verstanden?«
»Voll und ganz«, erwiderte der Kaplan.
»Gut. Dann sorgt
Weitere Kostenlose Bücher