Der Sohn des Kreuzfahrers
unter dem Donnern der Hufe. Die Reiter näherten sich in schnellem, doch maßvollem Tempo; sie schienen weder jemanden zu verfolgen noch vor jemanden zu fliehen. Murdo hob den Kopf und blickte zur Straße. In diesem Augenblick erschien die Sonne über der Kuppe, sandte ihre Strahlen den Hang hinunter und beleuchtete die Reiter.
»Kreuzfahrer!« rief Murdo. »Emlyn, sieh nur! Wir sind gerettet!« Er sprang auf, stieß einen lauten Schrei aus und wedelte mit den Armen. »Hierher! Hierher!«
Doch ob die Reiter ihn nun sahen oder nicht, zumindest zeigten sie keinerlei Interesse an ihm. Nicht einer von ihnen verringerte seine Geschwindigkeit. Die ganze Abteilung - vielleicht hundert Ritter - setzte unverwandt ihren Weg nach Jaffa fort.
»Sie sehen uns nicht«, sagte Emlyn. »Wir müssen sie vor den Türken warnen! Murdo, beeil dich! Lauf los, und sag es ihnen!«
So rasch der Untergrund es erlaubte, rannte Murdo zur Straße, wo er stehenblieb, erneut mit den Armen winkte und den Kreuzfahrern zurief anzuhalten. Außer einem kurzen Blick des ein oder anderen Reiters bewirkte er nichts. Emlyn holte ihn ein, baute sich neben ihm auf und begann ebenfalls zu schreien. Vielleicht nur weil sie zu zweit waren und weil so weit entfernt von jeglicher Zivilisation nur selten Menschen zu finden waren, gelang es ihnen tatsächlich, die Aufmerksamkeit des letzten Ritters zu erregen. Der Mann wendete sein Pferd, blickte abfällig auf die beiden herab und verlangte zu wissen, was ihnen einfiele, Männer im Dienste des Verteidigers des Heiligen Grabes aufzuhalten.
»Wir wollen Euch warnen«, antwortete Emlyn rasch. »Wir haben Seldschuken auf der Straße gesehen.«
»Es gibt immer Türken in dieser Gegend«, schnaufte der Ritter. »Das sind Plünderer, nichts weiter.«
»Das waren mehr als nur Plünderer«, erklärte der Mönch.
»Bist du ein Feldherr, daß du solche Dinge weißt?« fragte der Kreuzfahrer. Er nahm die Zügel auf und schickte sich an, seinem Pferd die Sporen zu geben.
»Er sagt die Wahrheit«, mischte sich Murdo ein. »Es waren Türken - Hunderte von ihnen -, und sie waren gestern auf dieser Straße. Wir haben sie beide gesehen. Sie ritten in Richtung Jaffa.«
»Habt ihr gesehen, wie sie in die Stadt geritten sind?« verlangte der Ritter zu wissen.
»Nein«, antwortete Murdo und deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren, »wir sind auf dem Weg von.«
»Armselige Bettler«, schnaufte der Ritter. »Macht, daß ihr wegkommt!« Er schlug die Zügel gegen den Hals des Pferdes, und das Tier sprang davon.
»Wartet!« rief ihm Murdo hinterher. »Wir brauchen Wasser - nur einen Schluck. Wir haben unser Was.«
»Trinkt Pisse!« rief der Ritter und ritt davon, um sich wieder zu seinen Gefährten zu gesellen.
Durstig und enttäuscht machten sich Murdo und Emlyn daran, das Kamel zu wecken, und nach mehreren Versuchen gelang es ihnen auch, die widerspenstige Kreatur dazu zu überreden, sich auf seine großen, platten Füße zu erheben. Dann machten sie sich wieder auf den Weg und folgten der Staubwolke der Kreuzfahrer.
Während sie abermals die Straße entlangwanderten, sang Emlyn leise Gebete auf gälisch, um sich zu beschäftigen. Murdo hörte ihm zu, und hier und da erkannte er sogar ein Wort. Die vertraute Sprache erinnerte ihn an seine Mutter. Er fragte sich, wie sie wohl die Nachricht vom Tod ihres Gatten aufnehmen würde und von der Weigerung ihrer Söhne, nach Hause zurückzukehren und für die Rückgabe ihres Landes zu kämpfen. Er fragte sich, wie es Ragna in der Zwischenzeit ergangen war, und was sie gerade tat. Ob sie ihn ebenso sehr vermißte wie er sie, und ob sie einander je wiedersehen würden? Nicht zum erstenmal schwor er sich, sie nie mehr zu verlassen, sollte er je wieder nach Hause zurückkehren.
Die Sonne nahm an Kraft zu, während sie in den Himmel stieg, und bald wich die angenehme Morgenwärme einem glühendheißen
Feuer, das die trockenen Hügel und Felsen förmlich zum Brennen brachte, während sich ein irritierendes Flimmern über die Täler legte. Als die beiden Wanderer nicht mehr weiter konnten, blieben sie stehen und hielten nach einem schattigen Platz Ausschau, um sich auszuruhen. Es gab keinen Baum in der Nähe; lediglich ein einzelner großer Dornenbusch spendete ein wenig Schatten.
Murdo führte das Kamel zu dem Busch, schlug ihm vorsichtig mit einem Stock vors Bein, und das Tier kniete nieder. Als nächstes zog Murdo sein schweißdurchtränktes Wams aus und legte es über
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