Der Sohn des Kreuzfahrers
den Busch. Schließlich ließ er sich in den knochentrockenen Staub neben Emlyn nieder, und die beiden ruhten sich in den Schatten von Wams, stinkendem Kamel und Busch aus. Es war zu heiß, um zu reden oder nachzudenken, und allmählich machte sich der Wassermangel bemerkbar. Murdos Mund fühlte sich so trocken an wie die Steine, auf denen er lag, und seine Zunge war auf die doppelte Größe angeschwollen; seine Lippen waren spröde, und seine Augäpfel waren so ausgetrocknet wie Zunder.
Er schloß die brennenden Augen und legte den Kopf auf den Arm. Einen Augenblick später hörte er Emlyns sanftes Atmen: Der Mönch war eingeschlafen.
Murdo jedoch konnte nicht einschlafen, so sehr er sich auch bemühte. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu jenem schrecklichen Augenblick zurück, da er geglaubt hatte, die Türken würden ihn töten, während er sich wie ein kleines Kind an Emlyns Umhang geklammert hatte. Erneut spürte er die Lanzenspitze an seiner Kehle und hörte den Krieger sagen: »Errichte mir ein Reich, Bruder!«
Die Stimme klang so klar und lebensecht, daß Murdo unwillkürlich die Augen aufriß und sich umschaute. Natürlich war niemand zu sehen, und Emlyn schlief noch immer, also wußte er, daß er geträumt haben mußte. Aber obwohl die Stimme nur Einbildung gewesen war, so waren die Worte doch die des heiligen Andreas gewesen, und Mur-do hatte dem Heiligen versprochen zu tun, was er konnte. Vielleicht, so hoffte Murdo, konnte derselbe Gott, der den Kreis im Staub beschützt hatte, ihm helfen, sicher nach Hause zu kommen.
»Bring mich nur nach Hause, und ich werde dir dein Reich schaffen«, sagte Murdo. »Ich werde es direkt neben meinem eigenen errichten.«
Sein Murmeln weckte Emlyn, der verschlafen die Augen öffnete. »Hast du etwas gesagt?« fragte er gähnend.
»Nein«, flüsterte Murdo. »Schlaf weiter.«
Der Mönch gähnte erneut und schloß die Augen. »Das sieht wie Rauch aus«, sagte er und schlief sofort wieder ein.
Murdo lag einen Augenblick lang einfach nur da, bevor ihm auffiel, was Emlyn da gerade gesagt hatte. Er drehte den Kopf und blickte in die Richtung, in die Emlyn geschaut hatte. Er sah trockenes, sonnenverbranntes Land voller Staub unter einem vor Hitze flimmernden Himmel. Ein dünner dunkelgrauer Faden stieg in die wolkenlosen Höhen empor. Ja, dachte Murdo, das sah wirklich wie Rauch aus. Aber was sollte an einem solch gottverlassenen Ort denn brennen?
Er hob den Kopf und schaute genauer hin. Der Faden befand sich im Westen; er war ein wenig dicker und dunkler geworden. Das war Jaffa!
Murdo erhob sich auf die Knie und beschattete seine Augen mit der Hand. Die Sonne hatte bereits ihren Abstieg begonnen; ihr machtvolles Licht ließ den Faden fast unsichtbar erscheinen. Mühsam rappelte sich Murdo auf und beschloß, nur ein paar Schritte den Hang hinaufzugehen, um besser sehen zu können; doch er stellte fest, daß er bis zur Straße zurücklaufen mußte, wollte er bis zum Horizont schauen.
Ein rascher Blick bestätigte seinen Verdacht: Der Rauch kam aus der ummauerten Stadt.
Murdo eilte zurück zum Busch, nahm sein Wams von den Zweigen und zog es wieder an. Dann kniete er nieder und rüttelte Emlyn wach. »Du hattest recht mit dem Rauch«, berichtete ihm Mur-do. »Jaffa brennt.«
»Dort wird wohl gekämpft«, bemerkte der Mönch verschlafen.
»Vielleicht«, räumte Murdo ein. »Es ist noch zu weit weg, um das
mit Bestimmtheit sagen zu können.«
»Ich hoffe, die Schiffe sind nicht in Gefahr.«
»Die Schiffe!« Bisher war Murdo noch nie in den Sinn gekommen, daß auch die Schiffe bei einem Kampf gefährdet sein könnten. Was, wenn die Türken den Hafen angegriffen hatten? »Beeil dich!«
»Murdo, warte!« rief ihm Emlyn hinterher. Der Mönch rappelte sich mühsam auf, eilte davon, erinnerte sich an das Kamel und kehrte wieder um, um es loszubinden.
Die kurze Rast hatte bei weitem nicht ausgereicht, um sich zu erholen; dennoch machten sich die beiden Wanderer in der Hitze des Tages wieder auf den Weg. Das war Wahnsinn, dachte Murdo; selbst wenn er die Kämpfenden rechtzeitig erreichen würde - was sollte er tun?
»Langsamer, Murdo«, rief Emlyn und folgte ihm auf die Straße. Das Kamel zog er hinter sich her.
Murdo ignorierte den Mönch. Er senkte den Kopf als Schutz vor der Sonne und ging raschen Schrittes voran. Obwohl er durstiger war denn je, hielt er den Mund geschlossen und konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wie lange dies so
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