Der Sohn des Kreuzfahrers
deines Weges.
Der Seldschukenführer sprach erneut. Murdo atmete tief durch, um sich auf den Todesstoß vorzubereiten, als Emlyn neben ihm langsam die Hand hob, als wolle er den Mann grüßen.
»La ilaha illa 'llah«, sagte der Priester. Er sprach klar und langsam, und die Wirkung seiner Worte war überwältigend.
Die Seldschuken starrten den Mönch an. »La ilaha illa 'llah«, wiederholte der Anführer die seltsamen Worte. Die Lanzenspitze löste sich sofort von Murdos Kehle, und der Anführer der Feinde rief seinen Männern etwas zu.
Die Türken wendeten daraufhin ihre Pferde, und ohne sich noch einmal umzudrehen, folgten die Reiter den anderen die Straße hinunter. Der Anführer jedoch blickte ein letztes Mal über die Schulter zurück zu Murdo und dem Mönch und rief: »Muhammadun ra-sulu 'llah'.« Dann gab er seinem Pferd die Sporen und galoppierte
seinen Männern hinterher.
Murdo beobachtete mit einer Mischung aus Erleichterung und Verwirrung, wie sich die zwanzig Seldschuken wieder der Hauptmacht anschlossen. Den vielen Standarten und Bannern nach zu urteilen, welche die Krieger mit sich führten, handelte es sich bei den Reitern um einen hohen Fürsten mit seiner Leibgarde. Insgesamt mußten es zweihundert oder mehr sein, jeder auf einem weißen Pferd mit schwarzer Schabracke und schwarzem Zaumzeug. Jeder der Krieger trug einen spitzen, mit langem Roßschweif verzierten Helm unter dem Turban und einen kleinen, runden Schild mit silbernem Rand. Einige der Krieger führten Packpferde mit Kisten und Truhen hinter sich her. Murdo stand sprachlos daneben und beobachtete, wie Reihe um Reihe die Straße hinunterzog und hinter der nächsten Hügelkuppe verschwand.
Nachdem auch die letzten Seldschuken verschwunden waren, atmete Murdo tief durch und schickte sich an, aus dem caim zu treten. »Warte«, mahnte ihn Emlyn.
Murdo blickte auf den Kreis hinunter, den sein Freund in den Staub gezeichnet hatte. Emlyn kniete nieder, faltete die Hände und sprach ein leises Gebet; dann legte er die Hand auf den Kreis und wischte ein kleines Stück weg: Der caim war durchbrochen. »Jetzt können wir gehen.«
Sie traten aus dem zerbrochenen Ring, und Murdo hatte das Gefühl, als erwache er aus einem Traum. Emlyn wiederum hob die Hände gen Himmel und sang eine Lobeshymne auf Gottes endlose Gnade und Macht. »Wir leben, Murdo!« rief er schließlich. »Frohlocke, und preise den Herrn!«
»Du hast gesagt, du würdest uns beschützen«, erklärte Murdo, »und das hast du auch.«
»Ich habe nichts weiter getan, als Gott anzurufen«, korrigierte ihn der Priester in sanftem Tonfall. »Es war unser Herr, der uns aus der Hand des Feindes gerettet hat.«
»Was hast du zu ihm gesagt?« fragte Murdo. »Zu dem türkischen Häuptling, meine ich.«
»La ilaha illa 'llah«, wiederholte der Mönch. »Das sind die einzigen arabischen Worte, die ich kenne. Sie bedeuten: >Es gibt keinen Gott außer Gott<, und das ist der einzige Punkt, wo Christen und Mohammedaner übereinstimmen. Ich habe sie von unseren Brüdern in Arles gelernt. Du solltest dich über unser Glück freuen, Murdo. Es war Gottes Wunsch, daß wir noch ein wenig länger im Reich der Lebenden weilen sollen. Wir sind verschont worden! Halleluja!«
Murdo nickte. Er versuchte noch immer zu verstehen, was geschehen war. Hatte der verzauberte Kreis - der caim - sie gerettet? Oder hatten die Türken einfach nur Besseres zu tun gehabt? Vielleicht hatten sie es als unter ihrer Würde betrachtet, einem halbverrückten Mönch und einem zerlumpten, unbewaffneten Jüngling das Leben zu nehmen. Vielleicht steckte jedoch auch mehr dahinter als das.
»Wir sind aus der Hand des Todes errettet worden«, fuhr Emlyn fort. Sein Gesicht glühte förmlich vor Freude. »Unser guter Hirte hat uns durchs Tal der Schatten geführt. Er hat uns eine große Gnade erwiesen und seine Gunst geschenkt. Heute ist der Tag, den Herrn zu preisen und zu frohlocken.«
»Ich frohlocke doch«, erklärte Murdo und drehte sich wieder um, um nach dem Kamel zu suchen.
Schließlich fanden sie das faule Tier am Boden liegend im Schatten des Felshaufens, hinter den sie hatten fliehen wollen, als die Türken erschienen waren. Das Kamel schlief, die Augen geschlossen, den Kopf hoch erhoben. Mit seinem sandfarbenen Fell paßte es hervorragend in diese Gegend - das war wohl auch der Grund, dachte Murdo, warum er es beim erstenmal nicht gesehen hatte.
Murdo packte die Zügel und zog daran, um die Kreatur zu wecken. Erst
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