Der Sohn des Kreuzfahrers
dann bemerkte er, daß sie kein Wasser mehr hatten; das ungeschickte Tier hatte jeden einzelnen Tropfen verschüttet, als es sich schwankend niedergelegt hatte, denn leider hatten sie in dem Bauernhaus keine Pfropfen oder Deckel für die Krüge gefunden.
»Wir haben kein Wasser mehr«, sagte Murdo und deutete auf die
Krüge, als sich der dicke Mönch zu ihm gesellte. »Kennst du dafür auch einen Zauber?«
Emlyn runzelte mißbilligend die Stirn. »O du Kleingläubiger!«
Murdo verzichtete auf weitere Bemerkungen. Emlyn trat zu ihm und packte ebenfalls die Zügel. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, das widerspenstige Tier zum Aufstehen zu bewegen. Das Kamel blökte protestierend, als es sich auf seine seltsame Art erhob. Anschließend führte Emlyn das Tier auf die Straße zurück. Mur-do ging neben ihm; allerdings hielt er kurz an, um das Schwert aufzuheben.
Sie setzten ihren Weg fort - der Priester pries noch immer den Herrn, doch Murdo war noch genauso nachdenklich wie zuvor. Als die Sonne den Horizont berührte, erreichten sie die Kuppe, hinter der die Türken verschwunden waren.
Nun glaubte Murdo auch den Grund zu kennen, warum ihnen niemand auf der Straße begegnet war und warum sämtliche Höfe und Weiler in der Gegend verlassen waren: Höchstwahrscheinlich waren die Seldschuken schon geraume Zeit hier unterwegs und hatten die Menschen aus ihren Häusern vertrieben.
Nachdem sie die Hügelkuppe erreicht hatten, hielten sie an, um auf der anderen Seite hinunterzublicken. Im Licht der untergehenden Sonne sahen sie, wie die Straße ihren Weg über die Hügel zum Meer fortsetzte, das inzwischen als silberner Streif am Horizont zu erkennen war. Zu ihrer Linken, noch sehr weit weg, aber deutlich erkennbar, war ein weit matteres Schimmern zu sehen: Jaffa. Einen Augenblick lang blieben sie stehen und blickten zu ihrem Ziel.
»Es sieht so aus, als wollten sie auch nach Jaffa«, bemerkte Em-lyn und deutete auf die Staubwolke, die den Standort der Seldschuken anzeigte.
»Das vermute ich auch«, stimmte ihm Murdo zu.
»Vielleicht sollten wir lieber wieder nach Jerusalem zurückkehren«, schlug der Mönch vor.
»Wir können nicht wieder nach Jerusalem zurück«, sagte Murdo. »Wir haben kein Wasser. Jaffa ist näher. Bis dorthin schaffen wir es
vielleicht noch.«
»Aber wenn es in Jaffa zu Kämpfen kommen sollte.«
»Wir haben keine andere Wahl«, unterbrach ihn Murdo und setzte sich wieder in Bewegung.
Die Sonne ging unter, und Zwielicht legte sich über das Land. Zum erstenmal, seit sie Jerusalem verlassen hatten, knurrte Murdo der Magen. Sein Mund war trocken, und seine Zunge klebte am Gaumen; er wünschte, er hätte mehr getrunken, als er noch Gelegenheit dazu gehabt hatte.
Die Luft kühlte rasch ab, als das letzte Glimmen des Zwielichts im Osten verschwand und die Nacht sich herabsenkte. Die beiden Wanderer setzten ihre Reise fort, bis die Müdigkeit sie schließlich übermannte und sie sich einen Platz neben der Straße suchten, wo sie sich ausruhen konnten. Sie banden das Kamel an einen Felsen, ohne es abzuladen; dann richteten sie sich für die Nacht ein. Erschöpft von den Anstrengungen des Tages legte Murdo seinen Kopf auf einen Stein und sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem er erst durch das ferne Donnern von Hufen geweckt wurde.
Einen Augenblick lang lag Murdo regungslos da und lauschte auf das Geräusch, das durch den Boden und den Stein hallte, auf dem er lag. Das Donnern wurde ständig lauter, und er wußte, daß die Reiter nicht mehr weit entfernt waren. Rasch stand er auf und schaute sich um; der Himmel leuchtete im ersten Morgenlicht. Die Sonne war bereits aufgegangen, doch von ihrem Standpunkt aus, konnten sie sie noch nicht sehen.
Murdo bückte sich, packte Emlyn an den Schultern und schüttelte ihn. Der Kirchenmann wachte erschrocken auf. »Wie? Was?«
»Reiter«, sagte Murdo. »Wir sollten außer Sichtweite verschwinden, bevor sie uns sehen.« Er blickte den langen Hang hinauf und entdeckte einen kleinen Felsvorsprung, hinter dem sie sich verbergen konnten. Sie ließen das Kamel schlafen, eilten den Hügel hinauf, legten sich auf den Bauch und warteten. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Reiter in Sichtweite kamen. »Wer sind sie? Kannst du es erkennen?« fragte Emlyn.
»Nein, sie sind noch zu weit entfernt, und das Licht ist nicht gut.«
Hinter den Felsen verborgen warteten sie weiter. Deutlich war nun das Klimpern von Zaumzeug zu hören - ein leises Klingeln
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