Der Sohn des Kreuzfahrers
daß es doch einen Überlebenden gab.
Aber bevor er weitersprechen konnte, kehrte der Ritter mit Namen Bayard von der Inspektion der Wagen zurück.
»Sie ist nicht unter den Waffen«, berichtete er und zügelte sein Pferd. »Vermutlich haben die Türken sie mitgenommen. Sie können noch nicht weit gekommen sein. Wir könnten sie immer noch einholen.«
Bohemund wandte seine Aufmerksamkeit den Männern zu, die zwischen den Toten suchten. Er rief sie zu sich und fragte: »Habt ihr sie gefunden?«
»Nein, Herr«, antwortete der ihm am nächsten stehende Krieger; die anderen äußerten sich ebenso.
»Geht wieder zu euren Pferden«, befahl Bohemund. »Kommt, Bayard. Wir werden herausfinden, wohin sich die verfluchten Seldschuken zurückgezogen haben.« Er dankte dem Kaufmann und den Stadtbewohnern für ihre Hilfe, wendete das Pferd und ritt davon. Innerhalb weniger Augenblicke schloß sich ihm die gesamte Heerschar an. Vorbei an den Mauern der Stadt galoppierten sie nach Süden die Küste entlang.
Murdo kehrte wieder zu Emlyn zurück. Der Mönch hatte seinen Umhang über den Verwundeten gelegt, und nun saß er neben ihm und betete. Als Murdo sich ihm näherte, hob er den Kopf. »Was hast du erfahren?«
»Du hattest recht: Es war Bohemund«, bestätigte der junge Mann. »Sie suchen nach irgend etwas. Sie haben gesagt, der Trupp, dem die Türken aufgelauert haben, hätte zu Gottfried gehört und daß.« Murdo hielt inne und blickte auf den verwundeten Ritter. »Ich weiß, was es ist, das sie suchen.«
»Nun?« fragte der Mönch.
»Er hat versucht, es uns zu sagen«, erwiderte Murdo und deutete auf den Bewußtlosen. »>Sie<, deren Verschwinden wir Gottfried berichten sollten, ist die heilige Lanze.«
»Sie haben die heilige Lanze verloren«, murmelte Emlyn verbittert. »Diese verfluchten Narren! Blind und dumm - jeder einzelne von ihnen. Vom König bis zum einfachen Fußkämpfer, nicht einer ist unter ihnen, der auch nur ein Gran Verstand sein eigen nennen dürfte. Wenn man sie alle in einen Sack stecken und draufhauen
würde, würde man immer den Richtigen treffen. O mein Gott!«
Einst hätte ein solcher Wutausbruch des sonst so sanften Mönches Murdo beunruhigt, doch jetzt nicht. Er wußte genau, wie der Mönch sich fühlte; er empfand genauso.
Emlyn sank auf die Knie und reckte die geballten Fäuste gen Himmel.
»Sie haben deinen Namen in einen Fluch verwandelt, oh Herr, mein Gott!« schrie er. »Sie lästern dich durch ihre Taten. Wer wird deine Ehre jetzt wiederherstellen, o mein König? Wer wird die Schlechtigkeit der Mächtigen hinwegfegen?«
Murdo hörte diese Worte und fühlte Zorn in seinem Herzen. Er antwortete: »Ich werde es tun.«
Die Hände noch immer erhoben blickte Emlyn zu seinem Freund. »Murdo?« Als er das seltsame Funkeln und die feste Entschlossenheit in den Augen des jungen Mannes sah, sagte er: »Du hast die Vision auch gesehen.«
»Das habe ich«, bestätigte Murdo. »Du hast von Fluch und Blasphemie gesprochen. Man hat euch doch aufgetragen, die heilige Reliquie vor jenen zu retten, die.«
».die sie mit ihrer Blasphemie beflecken, ja, aber.«, begann der Mönch.
»Ich werde sie suchen«, unterbrach ihn Murdo. Sein Selbstvertrauen wuchs von Augenblick zu Augenblick. »Es ist nicht recht, daß sie eine heilige Reliquie benutzen, um mit ihrer Hilfe um Macht und Rang zu schachern. So oder so: Ich werde sie zurückbringen.«
Der Priester stand rasch auf und stellte sich vor ihn. »Hör mir zu, Murdo: Einmal in seinem Leben wird der Mensch vor die Wahl gestellt, dem Wahren Weg zu folgen oder sich von ihm abzuwenden«, sagte Emlyn im selben Tonfall, den er auch für die Geschichten verwendete, die Murdo stets so bewegt hatten. »Diese Zeit ist für dich jetzt gekommen, Murdo. Es beginnt hier und jetzt. Du könntest alles verlieren, wonach du in deinem Leben gestrebt hast - sogar das Leben selbst; aber wenn du deine Entscheidung erst einmal getroffen hast, gibt es kein Zurück mehr. Hast du das verstanden?«
Murdo nickte. In diesem Augenblick sah er den Weg genau vor sich. Er hatte den ersten Schritt einer Reise getan, die sein ganzes Leben lang dauern würde, und zum erstenmal in seinem Leben fühlte er sich wahrhaft frei. »Ich werde gehen«, wiederholte er.
»Gib mir dein Schwert«, forderte Emlyn. »Die Menschen greifen auch in geistigen Schlachten stets zu den Waffen. Sie vergessen, was es wirklich ist, das sie aufrecht hält und ihnen die Erlösung bringt. Statt dessen vertrauen
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