Der Sohn des Kreuzfahrers
wie die beiden miteinander sprachen, woraufhin Jon nach Gorm rief und die beiden Seeleute die Köpfe zusammensteckten.
»Der kaiserliche Gesandte will so schnell wie möglich nach Konstantinopel zurückkehren«, berichtete Jon Murdo, als er den jungen Mann allein an der Reling stehen sah. »Es scheint, als hätte ihm unser großzügiger Fürst Bohemund König Magnus' Flotte als Eskorte für die Reliquie bis Konstantinopel versprochen. Magnus hat Befehl gegeben, daß wir bei Sonnenaufgang in See stechen.«
»Und was dann?« fragte Murdo. »Was geschieht, wenn wir Konstantinopel erreichen?«
»Ich weiß nicht, was die anderen tun werden«, antwortete der Seemann, »aber was mich und mein Schiff betrifft, werde ich wieder nach Hause fahren.«
Bei diesen Worten überkam Murdo eine so große Erleichterung, daß es ihm den Atem verschlug und seine Knie drohten nachzu-geben. Er hatte beabsichtigt, ein Schiff zu finden, doch daß er mit seinen Freunden segeln konnte, hatte er nicht zu hoffen gewagt. Das, zusammen mit den Anstrengungen der letzten Tage, machte ihn leicht benommen; er schwankte, und hätte Jon ihn nicht gestützt, wäre Murdo sicherlich gestürzt.
»Komm, Murdo«, sagte der große Nordmann und klopfte ihm auf den Rücken. »Etwas zu trinken wird dir neue Kraft verleihen. Gorm! Bring uns einen Krug!« Der Steuermann eilte sofort herbei. Jon drückte Murdo den Krug in die Hand und sagte: »Es ist eine Schande, daß wir kein Bier haben, aber Wein ist eigentlich gar nicht so schlecht.«
Der Wein weckte in der Tat Murdos Lebensgeister. Er trank in tiefen, kräftigen Schlucken, und schließlich reichte er den Krug Jon, der seinem Freund zuprostete und sagte: »Du bist ein guter Mann, Murdo. Du kannst jederzeit mit mir segeln.«
»Wenn ich erst einmal zu Hause bin, werde ich nie wieder segeln«, schwor Murdo und trank einen weiteren Schluck Wein. »Aber wenn ich es doch tun würde, dann mit niemandem außer mit dir.«
»Es ist ein langer Weg bis Orkneyjar«, bemerkte Jon. »Vielleicht änderst du deine Meinung ja noch.«
Den Rest des Tages verbrachten die Nordmänner damit, die Schiffe vorzubereiten und Vorräte zu besorgen. Als Krüge, Säcke und Kisten an Bord gebracht wurden, half Murdo, sie zu verstauen, und vergewisserte sich anschließend, daß alles ausreichend gesichert war. Obwohl Jon Reißzahn ihm gesagt hatte, er solle sich ausruhen und den Seeleuten die Arbeit überlassen, hatte Murdo dankend abgelehnt; die Arbeit lenkte ihn von seiner Aufregung über die bevorstehende Reise ab. Aber wenn er doch einmal daran dachte, machte sein Herz einen Freudensprung, und er spürte ein erwartungsvolles Kribbeln im Bauch.
Als sich schließlich die Nacht herabsenkte, starrte Murdo gen Westen zur untergehenden Sonne, und er stellte sich vor, es sei das Meer des Nordens, auf das er blickte und nicht das warme Mittelmeer; er sah keine Wolken am Horizont, sondern die schattenhaften Um-risse der Dunklen Inseln, die aus dem stillen Wasser emporragten. Sein Heimweh wurde immer größer und drohte schließlich, ihn zu verschlingen. »Ragna...«, hauchte er auf die See hinaus. »Ragna, ich komme nach Hause.«
In dieser Nacht rollte sich Murdo auf seinem üblichen Platz am Bug zusammen, und mit dem Namen seiner Geliebten auf den Lippen schlief er bald ein.
Bei Sonnenaufgang war er jedoch bereits wieder auf den Beinen und wartete auf den Befehl, vom Ufer abzustoßen. Schließlich kam der Ruf auch, und Murdo setzte sich auf die Ruderbank und nahm den Riemen auf, während die kaiserliche Galeere langsam aus dem Hafen glitt, gefolgt von den kleineren, schnelleren Schiffen der Nordmänner. Eins nach dem anderen stießen sie von der Mole ab und folgten Alexios' Abgesandtem aufs offene Meer. Nachdem sie das Hafenbecken verlassen hatten, befahl Jon Reißzahn, das Segel zu setzen, und die Heimreise nahm ihren Anfang.
Das gelbbraune Segel entfaltete sich, als erwache es nach langem Schlaf. Behäbig flatterte es und schüttelte die Falten aus, bis der Wind es blähte und das Schiff langsam vorwärtsglitt.
Während Jaffa allmählich im Hitzedunst verschwand, richtete Mur-do den Blick auf die trockenen Hügel im Osten der Stadt. Das war das Letzte, was er vom Heiligen Land sah. Er verspürte auch Trauer, weil er seinen Vater und seine Brüder hatte zurücklassen müssen. Im Herzen wünschte er ihnen ein letztes Lebewohl; dann drehte er sich wieder Richtung Westen um und dachte nur noch an die Heimreise.
I iVl rauer Nebel lag
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