Der Sohn des Kreuzfahrers
antworten, doch er nickte begeistert.
Nachdem er auch die Wachtel erledigt hatte, stürzte sich Murdo auf einen Fasan und riß ihm mit den Zähnen lange Fleischstreifen von der Brust. Damit war er noch immer beschäftigt, als sich zwei Mönche mit einem dampfenden Kessel seinem Platz näherten. Mur-do schaute interessiert zu, wie ein dritter Mönch eine Schöpfkelle in den Kessel tauchte, eine zähe Masse über das Brot verteilte und anschließend das gleiche bei Gundrun tat.
Murdo starrte auf den Eintopf - oder zumindest hielt er es dafür. Die Masse war von einer tiefroten Farbe, wie er sie noch nie bei einem Eintopf gesehen hatte. »Gefüllter Labmagen«, seufzte Gun-drun zufrieden. Er beugte sich über das Brot und schnüffelte fachmännisch. »Ah, ja! Phantastisch!«
Murdo hatte schon von diesem Gericht gehört - man sagte, es würde Königen serviert -, doch er hatte es noch nie gesehen. Auch er senkte den Kopf, und ein feiner Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn an Kirschen erinnerte. Er steckte den Finger in die Sauce, führte ihn zum Mund und spürte ein warmes, doch nicht unangenehmes Kribbeln auf der Zunge. Die Sauce schmeckte nach Rind und Pflaumen.
Gundruns Beispiel folgend nahm Murdo ein Stück Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger, kaute nachdenklich darauf herum und genoß die köstliche Geschmacksmischung. Dann beugte er sich über das mit der unbekannten Masse bedeckte Brot, und ohne den Kopf auch nur einmal zu heben, verschlang er das köstliche Gericht bis zum letzten Stück. Nur ein Mönch, der den alten gegen einen neuen Teller austauschte, hielt Murdo davon ab, auch noch das Holz abzulecken.
Welch prächtiges Festmahl! dachte Murdo und blickte auf den Tisch, um die nächste Delikatesse zu begutachten, die man soeben gebracht hatte. Als er einen raschen Blick zur Seite warf, sah er, daß sein Vater mit Brusi Maddardson ins Gespräch vertieft war und daß seine Brüder sich den Mund vollstopften und sich laut lachend mit den Maddardson-Söhnen unterhielten. Auf der anderen Seite des Hofs, an einem der Frauentische, glaubte er zu sehen, wie sich seine Mutter zu Frau Ragnhild hinüberbeugte. Gerade als er sich wieder abwenden wollte, erhaschte er einen Blick auf Ragna. Sie sah ihn an; ihr Blick war schelmisch und nachdenklich zugleich. Sie beobachtete ihn, und er hatte sie dabei ertappt; doch sie wandte weder die Augen ab, noch änderte sie den Gesichtsausdruck. Sie starrte ihn weiterhin an, bis zwei Mönche mit einem Kessel zwischen ihnen hindurchgingen und Ragna so aus seinem Blickfeld verschwand
- aber nicht bevor Murdo zum zweitenmal am heutigen Tag das verschwörerische Lächeln auf ihrem Gesicht gesehen hatte.
Verwirrt widmete sich Murdo wieder dem Essen und seinem Nachbarn. Gundrun erwies sich nicht nur als freundlicher Tischgenosse, sondern auch als eine wahre Quelle des Wissens. Er war weit gereist. Als Händler hatte er fast den gesamten Norden bis nach Gallien hinunter durchstreift. Einmal hatte er sogar eine Pilgerfahrt nach Rom unternommen. So kam es, daß der ältere Mann auf die Frage, wo denn Rouen läge, antwortete: »In der Normandie, wenn ich mich nicht irre.«
»Wer ist dort König?«
»Das müßte Wilhelm Rufas sein, König von England«, erklärte
ihm Gundrun. »Willst du doch noch an der Pilgerfahrt teilnehmen?«
»Nein«, gestand Murdo. »Ich habe meinen Vater darüber reden gehört. Sie gehen in die Normandie und reisen mit den Männern des Königs.«
»Ah, dann meinst du ohne Zweifel Wilhelms Sohn, den Herzog Robert von der Normandie«, korrigierte ihn der Kaufmann freundlich. »Es scheint, als würde er die Normannen und Engländer nach Jerusalem führen - zusammen mit einigen anderen natürlich. Sehr viele Ritter und Bewaffnete aus aller Herren Länder werden zusammen reisen, verstehst du? Zumindest ist es das, was ich gehört habe.«
Diese Worte riefen ein mißbilligendes Knurren von Dufnas hervor, der auf der anderen Seite von Murdo saß, worauf Gundrun erwiderte: »Was geht es dich an, mein Freund, wenn die Franken einen blinden Hund schicken, um die Pilger nach Jerusalem zu führen? Du gehst doch sowieso nicht.«
»Dumme Verschwendung«, erklärte Dufnas knapp; doch nachdem er seine Stimme erst einmal gefunden hatte, fügte er hinzu: »Für alles Gold von Rom würde ich keinen Fuß in dieses gottverlassene Land setzen.«
Nach diesem unerwarteten Gefühlsausbruch wandte sich Dufnas wieder seinem vernachlässigten Essen zu. Er packte einen Fasan,
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