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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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brach ihn mit seinen mächtigen Pranken in der Mitte entzwei, als wolle er damit zeigen, wie er über die Pilgerfahrt dachte, und biß schließlich in eine der Hälften.
    »Achte nicht auf ihn«, riet Gundrun. »Er war schon einmal in Jerusalem.«
    »Zweimal«, knurrte Dufnas.
    »Zweimal«, bestätigte sein Freund. »Beim letztenmal haben ihn die Sarazenen ausgeraubt, und das hat er ihnen nie verziehen.«
    Murdo blickte mit neugierigen Augen auf den launischen Kaufmann. Der Mann schien ganz und gar nicht zum Pilger geschaffen zu sein, doch andererseits: Murdo hatte noch nie jemanden kennengelernt, der weiter als bis Lundein gekommen war, ganz zu schweigen von Rom oder Jerusalem. »Man erzählt sich«, wagte er zu sagen, »daß das Heilige Land von einer Wüste umgeben sei und daß der Sand mit einem Feuer brennt, das nicht gelöscht werden kann. Stimmt das?«
    Gundrun gab die Frage an Dufnas weiter. »Nun, mein Freund«, sagte er, »du hast ihn gehört. Was ist nun mit der Wüste?«
    »O ja«, erklärte Dufnas zwischen zwei Bissen, »es gibt dort wirklich eine Wüste.«
    »Und brennt sie auch?« hakte Murdo nach.
    »Schlimmer noch: Sie kocht«, antwortete Dufnas und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Bei Tage kann sie niemand durchqueren. Man muß bis in die Nacht warten, wenn sie zu Eis gefriert.«
    Murdo nickte, als hätte er das schon lange geahnt. Er verstaute dieses Stück Wissen in seinem Gedächtnis, um später Torf und Sku-li damit zu beeindrucken. Gerade wollte er Dufnas fragen, ob es wahr sei, daß die Sarazenen so viele Frauen nehmen durften, wie sie wollten, als die Mönche mit Weinkrügen erschienen. Nachdem kurz darauf jedermanns Becher gefüllt war, tranken die Leute einander zu. Auch Murdo trank und stellte fest, daß er Wein mochte - besonders die Art, wie das Getränk ihn innerlich wärmte.
    Das Fest wurde immer fröhlicher, während die Gäste auf das Johannesbrot warteten: kleine, süße Haferkuchen, die man im allgemeinen mit Bier oder in diesem Fall mit Wein zu sich nahm. Als die Kuchen schließlich gebracht wurden, seufzten die Feiernden glücklich auf, denn in jeden kleinen Kuchen war eine Silbermünze eingebacken. Murdo zog die Münze aus dem Kuchen und blickte auf das funkelnde Metallstück. Obwohl es sich nur um eine kleine Münze handelte, so war es doch mehr Geld, als Murdo je besessen hatte. Den Blick auf das Silberstück gerichtet, staunte er über die Großzügigkeit des Bischofs.
    »Die Pilgermünze«, erklärte Gundrun. »Für den Torzoll.«
    »Den was?«
    »Die Abgabe, welche die Torwächter von jedem Pilger verlangen, der die Heilige Stadt betreten will. Wenn man sie von Anfang an bei sich trägt, bedeutet das, daß man die Stadt unseres Erlösers mit
    Sicherheit erreichen wird.«
    Abermals grunzte Dufnas und drückte Murdo seine Münze in die Hand. »Hier«, sagte er. »Jetzt kannst du auch meinen Zoll bezahlen, wenn du dort ankommst.«
    Murdo dachte daran, dem unangenehmen Kaufmann zu erklären, daß er nicht nach Jerusalem gehe; doch Dufnas leerte bereits seinen zweiten Becher Wein, und Murdo hielt es für das Beste, ihn dabei nicht mit solch unbedeutenden Kleinigkeiten zu stören. Also steckte er die beiden Münzen in den Gürtel und wandte sich wieder dem Johannesbrot und dem Wein zu.
    Der mit Honig gesüßte und leicht gewürzte Wein verschwand rasch
    - das meiste davon in Dufnas' Kehle, das mußte gesagt werden -, und so trank auch Murdo rasch, aus Furcht, andernfalls nichts mehr zu bekommen. Aber der leere Krug hatte noch nicht den Tisch berührt, als er bereits wieder aus einem der beiden großen Fässer gefüllt wurde, die der Bischof an beiden Enden des großen Klosterhofes hatte aufstellen lassen. Mit einem Blick zu den riesigen Eichenfässern, die auf schweren Eisengestellen ruhten, schob Murdo seinen Becher zu Gundrun, damit dieser ihm nachschenken konnte.
    »Du bist wohl ziemlich durstig, Junge«, lachte der Händler. »Gut so!«
    Dufnas stieß Murdo mit dem Ellbogen an und nickte widerwillig anerkennend. »Wir werden schon noch einen guten Esser aus dir machen«, erklärte er.
    Weitere Gerstenkuchen und gewürzter Wein wurden aufgetragen, und einige Zeit später folgte eine weiche, gekochte Masse aus gemahlenen Mandeln, Honig, Eiern und Milch, die man mit Löffeln aus Schüsseln aß, als wäre es Suppe. Murdo hatte noch nie etwas derart Süßes gegessen, und er glaubte zunächst nicht, die Schüssel leeren zu können, bis er Dufnas' Beispiel folgte, der

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