Der Sohn des Kreuzfahrers
überreden.«
»Dem ist auch so«, bestätigte der Kaiser. »Aber wie du dich vielleicht erinnerst, haben Wir gesagt, der Eid müsse unterzeichnet sein, bevor die Schiffe den Transport eingestellt haben.« An den Magister Officiorum gewandt, fragte der Kaiser: »Verhält es sich nicht so, wie Wir gesagt haben, Magister?«
Der Magister konsultierte die Wachstafel, auf der er alle o ffiz iellen Verlautbarungen festzuhalten pflegte; dann erwiderte er: »Es verhält sich so, Basileus. Das ist genau, was Ihr gesagt habt.«
»Es tut Uns leid«, erklärte Alexios gelassen. »Wärt ihr doch nur früher zu Uns gekommen.«
»Wir haben den ganzen Tag lang gewartet!« schrie Bischof Adhemar, der sich nicht länger beherrschen konnte. »Das ist unerträglich!«
Alexios' Gesicht verhärtete sich. »Und doch werdet ihr es ertragen müssen. Graf Raimund hatte genug Zeit, um seine Meinung zu ändern. Oder habt ihr vielleicht geglaubt, die ganze Welt warte nur auf eure Entscheidung? Ich versichere euch: Die Welt wartet auf niemanden.«
»Ich bin bereit, den Treueid auf der Stelle abzulegen«, erklärte Raimund, dem das Blut in die Wangen stieg.
»Und Wir sagen dir, es ist zu spät.«
»Zu spät!« knurrte Raimund.
»Die Schiffe werden andernorts gebraucht. Um der Kreuzfahrt zu helfen, haben wir den Schutz unserer Provinzen vernachlässigt, doch dieser Zustand kann nicht ewig andauern.« Der Kaiser blickte den drei Männern vor ihm gelassen in die Augen. »Die Schiffe müssen instand gesetzt und für eine neue Aufgabe ausgerüstet werden. Jede weitere Verzögerung wäre zu kostspielig, als daß es sich lohnen würde, auch nur darüber nachzudenken.«
Sprachlos vor Wut und Enttäuschung blickte Raimund verbittert zum Kaiser empor. Adhemar holte Luft, um erneut das Wort zu ergreifen, doch der ruhige Stephan kam ihm zuvor.
»Wenn Ihr gestattet, mein Herr und Kaiser«, sagte Stephan rasch, »dann würde ich Euch gerne einen möglichen Ausweg aus dieser Situation vorschlagen.«
»Wenn du einen solchen Ausweg kennst«, erwiderte der Kaiser, »dann hören Wir dir gerne zu.«
»Falls man die Abfahrt der kaiserlichen Flotte noch um ein paar Tage verschieben könnte, könnten wir die Schiffe vielleicht anheuern, um unsere Armeen über den Bosporus zu bringen. Wir wären bereit, in Gold zu zahlen.«
Der Kaiser runzelte die Stirn. »Wir besitzen Gold genug. Uns mangelt es an Schiffen, um die kaiserlichen Gewässer zu sichern.« Er starrte auf die Lateiner herab und trommelte mit den Fingern auf der Armlehne seines Throns. »Aber das bringt mich auf einen anderen Gedanken«, fuhr Alexios langsam fort, als denke er nun zum erstenmal darüber nach.
»Ja, mein Herr und Kaiser?«
»Uns ist aufgefallen, daß Wir Unser Versprechen erfüllt haben, die Pilger zu versorgen und durch Unser Gebiet Richtung Heiliges Land zu geleiten, und all das haben Wir aus Unserer eigenen Tasche bezahlt. Und Wir haben es gern getan, dient es doch der Befreiung des Heiligen Landes und der Rückführung gestohlener Ländereien in die Obhut des Reiches.«
»Mit Gottes Hilfe«, erklärte Bischof Adhemar, »werden wir siegreich sein.«
»Wir beten für euren Sieg, mein Herr Bischof«, erwiderte der Kaiser. »Eingedenk dessen erscheint es Uns nur gerecht, euch einen kaiserlichen Abgesandten zur Seite zu stellen, der euch in allen Fragen beraten wird, welche die Wiedereingliederung verlorener Gebiete in den Reichsverbund betreffen.«
Stephan verstand sofort, was der Kaiser ihnen anbot, und bevor die anderen etwas darauf erwidern konnten, stimmte er freudig zu. »Natürlich würden wir einen kaiserlichen Abgesandten in unseren Reihen jederzeit willkommen heißen, der uns in allen Fragen mit Rat und Tat zur Seite steht, welche die Interessen des Reiches betreffen, als Gegenleistung für den Einsatz der kaiserlichen Flotte. Ich
schäme mich, daß mir das nicht selbst eingefallen ist.«
Raimund versteifte sich. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, daß ein kaiserliches Faktotum seine Nase in die Angelegenheiten der Kreuzfahrer stecken sollte.
»Gut.« Alexios winkte den Magister heran. »Wir nehmen euer Angebot an, die Überfahrt zu bezahlen und einen kaiserlichen Abgesandten in eure Reihen aufzunehmen.« Der Kaiser nahm das Dokument mit dem Treueid von dem Beamten entgegen, das alle anderen Kreuzfahrer bereits unterzeichnet hatten, und reichte es Raimund.
Der widerspenstige Graf hielt das Dokument in Händen, machte jedoch keinerlei Anstalten, es zu entfalten.
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