Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
kühle Antwort.
    »Und nur Curru hat behauptet, dass du dieses Blut über uns bringen wirst.«
    »Er behauptet es noch. Und ich kann nicht erkennen, dass deine Stammesbrüder ihm widersprechen.«
    »Wie willst du das wissen, wo du doch viele Längen von unserem Lager entfernt bist?«
    »Der Yaman hat Eri noch nicht bestraft«, entgegnete sie.
    Awin runzelte die Stirn. Eri hatte die Waffe gegen ein Mitglied des Sgers erhoben. Unter den Hakul war das ein todes würdiges Verbrechen. Eri war ein unreifer Knabe. Dennoch, wäre er ein anderer gewesen, hätte er es umgehend schwer gebüßt. Es passte gar nicht zu Yaman Aryak, dass er nicht wenigstens schon irgendeine Strafe über ihn verhängt hatte. Vielleicht war es die Sorge um Ebu und Ech, die ihn zögern ließ. Awin spürte, dass das als Erklärung für Merege kaum ausreichen konnte. Es wäre besser, über etwas anderes zu sprechen: »Ich habe Senis gesehen.«
    Merege hob die Augenbrauen um eine Winzigkeit und erwiderte dann ruhig: »Ich habe es mir fast gedacht. Was hat sie gesagt?«
    Das war nicht ganz die Antwort, die Awin erwartet hatte. Er verlor schon wieder den Faden. »Sie hat mir geholfen. Sie war jung. Am Meer«, stotterte er.
    »Hat sie gefunden, was sie gesucht hat?«, fragte Merege langsam.
    »Gefunden? Sie hat nichts darüber gesagt. Aber das war doch auch nur dort , also auf der Reise, ich meine, ich habe sie ja nicht wirklich … Sie kann ja auch gar nicht am Meer, denn … ich …« Awin stockte, denn er merkte, dass er gar nicht so genau wusste,
wo genau er gewesen war. Waren das bloße Traumbilder gewesen, oder hatte ein Teil von ihm wirklich am Ufer des Meeres gestanden? Und war Senis dann auch dort gewesen, oder war nur sein Geist dem ihren begegnet? Sie war jung gewesen, und doch hatte sie ihn gekannt. Er bekam Kopfschmerzen.
    Merege hatte ihm offenbar kaum zugehört, denn ihr Blick schien auf irgendetwas weit hinter ihm gerichtet. Sie runzelte die Stirn und erhob sich. »Sieh, dort brennt es.«
    Awin drehte sich um. Tatsächlich, von der anderen Seite der Stadt stieg schwarzer Rauch auf. Der Wind frischte auf, er blies den Qualm in Fetzen über die Hügel hinter der Stadt. Awin sah, dass seine Sgerbrüder das noch nicht bemerkt hatten. Er formte mit seinen Händen einen Trichter und rief laut ein »Hakul!« hinüber.
    Tauru hörte seinen Ruf. Awin wies mit dem gestreckten Arm zur Stadt. Im Lager wurde es lebendig.
    »Ich nehme an«, meinte Merege kalt, »Curru wird mir auch dafür die Schuld geben.«

Sturm
    EILIG BRACHEN DIE Hakul ihr Lager ab. Die Lagerfeuer wurden gelöscht, die Pferde gesattelt und die Waffen bereitgelegt. Kampflärm kam aus der Stadt, zuerst leise, dann schien er sich wie eine Feuersbrunst über die ganze Stadt auszubreiten. Schwerter klirrten, und Männer brüllten. Awin sah auf der Mauer Krieger miteinander kämpfen. Die Hakul saßen auf und bildeten ihre Schlachtreihe gegenüber dem Tor der Hirth. Awin wusste nicht recht, welcher Platz ihm nun zustand, und so ordnete er sich am Ende zwischen dem Jungkrieger Tauru und Harbod ein. Jetzt hörten sie sogar vom Tempelberg Kampfgeschrei, dann stieg über dem Hafen dichter Rauch auf. Kurz darauf trieben zwei große brennende Schiffe stromabwärts. Der Lärm schwoll an, verebbte, dann schien der Kampf an anderer Stelle neu zu entbrennen.
    Am Tor der Hirth verstummte das Kampfgeschrei schließlich ganz. Plötzlich öffnete sich eine kleine Pforte in dem mächtigen Tor, und zwei Männer rannten hinaus. Sie warfen ihre Sichelschwerter und Schilde fort und flohen hinaus in die Ebene. Auf der Mauer tauchten einige Bogenschützen auf. Sie sandten den beiden Flüchtenden einen Schwarm Pfeile hinterher. Die Bögen der Akkesch seien stark, hatte Mewe am Vortag gesagt. Jetzt sah Awin, dass er Recht hatte. Erst wurde der vordere Läufer von mehreren Geschossen getroffen, dann der andere. Sie taumelten und gingen nach wenigen Schritten stöhnend zu Boden. Als einer der beiden Männer wieder auf die Beine kam, setzte ein weiterer Pfeilhagel seinem Leben ein Ende. Er starb keine dreißig
Schritte von den Hakul entfernt, umgeben von einem Kranz weiß gefiederter Pfeile. Die Hakul sahen stumm und regungslos zu. Von anderen Stellen der Stadt war immer noch Kampflärm zu hören. Der böige Wind wechselte die Richtung und trug den Hakul Brandgeruch zu. Auch oben auf dem Tempelberg brannte es jetzt. Dann schwoll der Lärm zu einem seltsamen Brausen an. Die Pferde wurden unruhig. Der Boden zitterte.

Weitere Kostenlose Bücher